München – Die Energiewende stottert an einigen Stellen: Manchmal liefern Wind und Sonne mehr Strom als nachgefragt, manchmal weniger. Gleichzeitig sind neue E-Autos oft teurer als die Verbrenner-Alternativen. Beide Probleme könnten gelöst werden, wenn E-Fahrzeuge im Stromnetz als große Batterien fungieren. Bisher ist das aber kaum möglich, vor allem weil die Autohersteller um die Lebensdauer ihrer Batterien fürchteten.
Das Thema ist gestern einen großen Schritt vorangekommen: Wer einen BMW iX3 an der Wallbox hängen lässt, kann damit künftig Geld verdienen. Und zwar bis zu 720 Euro im Jahr, was in Ladestrom einer Fahrleistung von 14 000 Kilometern entspricht. Der Eigenverbrauch wäre für den Durchschnittsnutzer also gratis. Das versprechen zumindest der Energiekonzern Eon und der Autobauer BMW, die sich für das Pilotprojekt zusammengetan haben. Nach Angaben von Eon ist es der erste Tarif dieser Art in Deutschland.
Der funktioniert so: Wer sein Auto an die Wallbox anschließt, bekommt für jede Stunde einen Bonus gutgeschrieben. In dieser Zeit laden die Eon-Energiehändler die Batterie, wenn viel Sonne und Wind den Strom günstig machen, und entladen sie, wenn die Nachfrage und die Preise hoch sind. An den Erträgen werden die BMW-Fahrer beteiligt. Ist das Auto durchschnittlich acht Stunden am Tag angeschlossen, gibt es die maximalen 720 Euro.
Der Bonus pro angesteckter Stunde wird laut Eon unabhängig vom Vermarktungserfolg garantiert. Die Spendierlaune von Deutschlands größtem Energieversorger zeigt, wie enorm attraktiv der Markt für Batteriespeicher ist. Deshalb sollen sich die Kunden wohlfühlen: „Wir kümmern uns um den Papierkram, den Smart Meter, um alles“, sagte Eon-Vertriebschef Philip Thon. Die Kunden sollen dabei keinerlei Einschränkung spüren: Wie voll der Akku zu einem bestimmten Zeitpunkt sein soll, können die Kunden per App bestimmen.
Bisher können die wenigsten Autos bidirektional laden. Denn die Hersteller fürchten durch die zusätzlichen Ladezyklen zusätzlichen Verschleiß der Batterie. Vor dem neuen Angebot mussten deshalb die Ingenieure tätig werden. Das bemerkenswerte Ergebnis: Weil die Batterie nur im optimalen Ladebereich genutzt wird, soll die Lebensdauer nicht beeinträchtigt werden. Bislang kann das aber nur der neue iX3, weitere Tarifmodelle sollen folgen.
Auch volkswirtschaftlich ist das Potenzial enorm: Würde man alle E-Autos in Deutschland – heute eine Million – ans Netz hängen, entspräche das einer Batterie, die mehrere Stunden lang die Leistung von elf mittelgroßen Atomkraftwerken bringen kann. Und heute sind gerade einmal drei Prozent der Flotte elektrisch. Mehr Autos am Netz würden den Stromkunden also diverse teure Gaskraftwerke sparen – und dem Klima einiges an CO2.