Das Konzeptauto Opel Corsa GSE Vision Gran Turismo feiert auf der IAA Weltpremiere. © afp
München – Opel bringt zur Automesse IAA einen futuristisches Konzept-Car mit nach München. Doch der Rüsselsheimer Autobauer will auch Kleinwagen anbieten. Am liebsten für 15 000 Euro. Doch das ist heute, auch aufgrund von Regulierungsmaßnahmen, kaum noch möglich. Nicht alle technischen Features sollten Vorschrift für alle Fahrzeuge werden, fordert der Chef von Opel, Florian Huettl, in unserem Interview. „Mobilität muss erschwinglich bleiben.“
Herr Huettl, Sie haben auf der IAA sehr emotionale Autos gezeigt und das traditionelle Kürzel GSE eingesetzt, das ja für sportliche Modelle stand. Was ist die Botschaft?
Wir hatten drei Botschaften: Wir haben die ersten Elemente des neuen Corsa gezeigt, dessen Entwicklung kürzlich in Rüsselsheim begonnen hat. Wir haben auch einen Einblick gegeben in die neue Design-Sprache bei Opel, die Materialien, die wir verwenden. Wie wir dem Fahrer Informationen zeigen, wie wir den Innenraum gestalten. Und zum Dritten ging es um Emotionalität. Opel hat eine große Historie im Motorsport. Das haben wir alles in unser Konzept-Car gegossen. Das war das Signal, das wir aussenden wollten.
Sie sind ja in einen internationalen Konzern eingebunden. Wie wirkt sich das auf Ihre Modellpolitik aus?
Opel ist eine von 14 Marken von Stellantis. Das ist ein großer Vorteil für uns, weil Investitionen in Plattformen, in Architekturen, in Batterietechnik von mehreren Marken getragen werden. Das nutzen wir auch – überall wo es angemessen ist. Wir brauchen nicht für jede Marke eine andere Batterie oder andere Unterbaukomponenten. Eine Marke muss aber ein klares Versprechen abgeben, für klare Werte stehen. So haben wir das Gesicht von Opel zum Kunden geschärft als elektrische, emotionale und bezahlbare Marke.
Wie autonom können Sie entscheiden?
Opel entscheidet über die Produktpolitik. Beispielsweise darüber, welche Segmente mit welchen Produkten bedient werden. Mit dem Frontera sprechen wir Kunden an, die ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis mit hohem Nutzwert suchen. Mit dem neuen Grandland haben wir ein Top-of-the-line SUV geschaffen – made in Germany. Andere Konzernmarken haben einen anderen Weg eingeschlagen. Das funktioniert gut. Wir haben uns entschieden, mit unseren sportlichen GSE-Modellen in Richtung Performance zu gehen.
Ihre derzeit wichtigsten fünf Modelle sind Klein- oder Kompaktwagen. Können Sie sich vorstellen, darüber hinauszugehen? Opel war ja einmal Marktführer in der Luxusklasse.
Das ist sehr lange her. Wir haben bei den SUV ein breites Angebot vom Mokka mit 4,15 Metern Länge über den Frontera mit 4,40 zum Grandland mit 4,65 Metern. Zudem haben wir unsere Blockbuster Corsa und den Astra. Da sind wir gut aufgestellt. Wir schauen uns regelmäßig die Möglichkeiten auch in anderen Segmenten an. Bei Kleinwagen haben wir das Problem, dass es in den letzten Jahren schwieriger und schwieriger geworden ist, für dieses Segment ein rentables Produkt zu entwickeln. Der europäische Markt lag 2019 bei 18 Millionen Fahrzeugen. Heute sind wir bei 15 Millionen. Etwa eine Million der fehlenden drei Millionen sind Kleinwagen. Dazu gehört das gesamte A-Segment mit Autos von 3,60 bis 3,70 Metern Länge.
Woran liegt das?
Die Preise, die wir noch vor sechs oder sieben Jahren darstellen konnten – unter 15 000 Euro –, sind heute kaum noch möglich. Da spielt die Regulierung eine wichtige Rolle.
Welche?
Wenn Sie heute einen Opel Corsa kaufen, muss der beispielsweise einen Spurhalte-Assistenten haben. Ein tolles Feature auf der Autobahn. Aber braucht das der Corsa, mit dem man jeden Tag 20 oder 30 Kilometer zur Arbeit fährt? Da ist die Regulierung zu weit gegangen.
Was könnte man streichen? Wo ist der größte Effekt?
Wir haben 2018/2019 eine passive Sicherheit in den Autos erreicht, die wir kaum noch steigern können. Das ist festgeschrieben worden. Und das war gut so. Was wir heute sehen, betrifft die aktiven Fahrassistenten. Da ist sehr viel vorgeschrieben, was angeboten werden kann, aber nicht Pflicht sein sollte. Wir wollen eine Regulierung, die es uns ermöglicht, Kleinwagen im Preisbereich um 15 000 Euro anzubieten. Es gibt heute genau noch ein Auto unter 15 000 Euro in Europa. Kunden, die früher so ein Auto neu gekauft haben, suchen heute Gebrauchtwagen. Mit deutlich höherem CO2-Aus-stoß. Unser Ziel ist es, Mobilität erschwinglich zu halten. Sonst steht für die Industrie in Europa zu viel auf dem Spiel. Wir plädieren für eine Regulierung mit Maß und Mitte.
Auch die Elektrifizierung hat die Autos teurer gemacht. Sehen Sie da Licht am Ende des Tunnels?
Vor drei Jahren kostete ein Corsa Electric 36 000 Euro. Heute sind es weniger als 30 000.
Wettbewerber haben jetzt 25 000 Euro angekündigt.
Wir halten das auch für die Schwelle, bei der das Elektroauto dem Verbrenner oder Hybriden im Preis-Leistungs-Verhältnis deutlich überlegen ist. Der neue Corsa Electric wird für 25 000 Euro kommen.
Opel wird als deutsche Marke wahrgenommen. Ihr erfolgreichstes Modell, der Corsa, kommt aus Spanien. Wie sehen Sie die Zukunft der deutschen Standorte?
Die Kilowattstunde Industriestrom kostet hier deutlich mehr als in Frankreich und in Spanien ist der Strom noch günstiger. Die Lohnkosten sind im internationalen Vergleich sehr hoch. Und der Krankenstand in Deutschland ist sehr hoch. In Deutsch-land sind es durchschnittlich doppelt so viele bezahlte Krankentage wie in Frankreich. Man kann sich in Deutschland sehr einfach und ohne finanzielle Einbußen krankschreiben lassen. Wir müssen das in den Griff bekommen. Wir produzieren seit 125 Jahren in Deutschland und wollen das auch weiter tun. Aber es ist eine tägliche Herausforderung.