INTERVIEW

„Das E-Auto wird sich durchsetzen“

von Redaktion

Volkswagen-Chef über neue Modelle und das Verbrenner-Aus

Oliver Blume ist Seit September 2022 Chef des Volkswagen-Konzerns und zugleich Markenchef von Porsche. Auf der IAA hat er neue Modelle wie den ID.Polo vorgestellt. © TOBIAS SCHWARZ

München – Zölle in Amerika, neue Konkurrenz aus China und große Verunsicherung bei deutschen Kunden wegen der E-Mobilität: Für die deutsche Autoindustrie läuft es nicht. Auch der VW-Konzern mit Marken wie Volkswagen, Porsche, Skoda, Cupra oder Seat hat Probleme. Wie lassen die sich lösen? Und macht es Sinn, dass die EU das für 2035 geplante Verbrenner-Aus wieder hinterfragen will? Das haben wir Konzernchef Oliver Blume gefragt.

Herr Blume, die Autoindustrie steckt in der Krise. Trotzdem sagen Sie, dass der Tiefpunkt jetzt erreicht ist. Weshalb?

Die deutsche Automobilindustrie hatte über Jahrzehnte große Erfolge gefeiert. Ich bin selbst seit mehr als 30 Jahren dabei. Es war früher viel einfacher vorauszusehen, was in fünf oder zehn Jahren auf uns zukommt. Das ist heute anders. Wir wurden in kürzester Zeit aus der Komfortzone herausgerissen. Plötzlich sind neue Wettbewerber aus Asien auf dem Markt, wir haben geopolitische Krisen, Zölle und eine enorme Innovationsgeschwindigkeit. All das ist neuer Natur. Und Stand heute ist es gekommen, um zu bleiben.

Woher kommt dann Ihr Optimismus?

Weil wir uns gut auf die neuen Rahmenbedingungen eingestellt haben. Bei neuen Technologien wie Software, autonomes Fahren und der Batterietechnologie haben wir uns extrem schnell weiterentwickelt. Das alles haben wir auf Basis unserer eigenen Stärken erreicht: deutsche Ingenieurskunst, Fahrzeugsicherheit, tolles Design und starke Marken. Ich bin deshalb überzeugt: Die deutsche Automobilindustrie hat eine große Zukunft.

Mit der E-Mobilität fremdeln die Deutschen trotzdem noch. Auch, weil E-Autos recht teuer sind.

Deshalb haben wir auf der IAA in München die erste Modellfamilie mit Fahrzeugen ab rund 25 000 Euro vorgestellt. VW ID. Polo und ID. Cross, Cupra Raval und Skoda Epiq. Das sind vier Charaktere auf einer Plattform. Und sie sind auch preislich im Wortsinne echte Volkswagen. Diesen Weg gehen wir konsequent weiter: 2027 werden wir ein VW-Modell für 20 000 Euro auf den Markt bringen.

Bei den E-Modellen kommen klassische Namen wie der „Polo“ zurück, auch das Design ist traditioneller. Weshalb?

Als ich 2022 die Verantwortung für den Konzern übernommen habe, war das Fahrzeugdesign unserer Marken eine Top-Priorität für mich. Jeder erkennt nun wieder von Weitem: Das ist ein VW, das ist ein Audi, das ist ein Skoda. Gleichzeitig sind die Namen unserer Modelle praktisch Marken für sich, sei es der Polo, der Golf oder der GTI. Wir sind jetzt wieder unverwechselbar Volkswagen. Mit der Abkürzung ID für Intelligent Drive tragen wir die traditionellen Namen in die Zukunft der Elektromobilität – deshalb also ID. Polo. Inzwischen spüren wir eine große Resonanz auf unsere ID-Modelle. Wir sind in Europa mit 28 Prozent Marktanteil bei den Elektroautos mit großem Abstand die Nummer eins. Wichtig sind jetzt die richtigen Rahmenbedingungen, um eine wirklich breite Akzeptanz für die Elektromobilität zu erreichen.

Inwiefern?

Ich bin gerade im Sommerurlaub in Europa 4000 Kilometer mit dem Elektroauto unterwegs gewesen. Das funktioniert hervorragend, auch im europäischen Ausland gibt es inzwischen eine sehr gute Ladeinfrastruktur, etwa an den Autobahnen. In den Städten und Regionen haben wir dagegen noch Nachholbedarf – auch in Deutschland. Auch der Ladestrom muss billiger werden. Am Ende kalkulieren die Autofahrer, ob es für sie günstiger ist, mit Kraftstoff oder mit Strom zu fahren.

Ihre Branche und viele Politiker rütteln dennoch kräftig am Verbrenner-Aus, Markus Söder und Friedrich Merz etwa. Glauben Sie nicht, dass das die Skepsis der Kunden gegen E-Autos weiter schürt?

Wir müssen realistisch hinterfragen, wo wir stehen. Und leider sind wir als Gesellschaft noch nicht so weit, wie wir es gerne wären. Es hat daher keinen Sinn, unrealistische CO2-Ziele zu formulieren und dann durch Strafen Geld aus der Automobilindustrie zu ziehen. Mittel, die wir dringend für Investitionen in Zukunftstechnologien benötigen, um die Dekarbonisierung weiter voranzutreiben. Gleichzeitig können synthetische Kraftstoffe, wie zum Beispiel eFuels, uns auf dem Weg zur Dekarbonisierung helfen. Fest steht aber: Am Ende wird sich das Elektroauto durchsetzen.

Wirklich?

Definitiv. Der Verkehrssektor muss seinen Beitrag leisten, um den Klimawandel zu bremsen. Mit der Elektromobilität haben wir dafür die richtige Zukunftstechnologie. Es ist ökologisch vernünftiger, elektrisch zu fahren. E-Autos sind Verbrennern auch beim Komfort und in den Fahreigenschaften überlegen. Und in anderen Ländern sehen wir: Passen die Rahmenbedingungen, setzt sich E-Mobilität von allein durch.

In Norwegen etwa?

Zum Beispiel. Aber auch in Dänemark oder den Benelux-Ländern. Und in China ist bereits etwa die Hälfte der Neuzulassungen elektrisch. Dort gibt es keine Regulierungen und der Strom ist günstig.

Volkswagen hatte einmal das Ziel, bis 2035 nur noch Elektroautos zu produzieren. Gilt das noch?

Aufgrund der aktuellen Marktlage halte ich das für unrealistisch. Deshalb setzen wir uns jetzt für einen flexiblen Übergangszeitraum ein.

Haben Sie keine Angst, dass die Debatte um das Verbrenner-Aus die Verbraucher verunsichert?

Das ist ein schmaler Grat. Das ist mir bewusst. Aber mir wäre es lieber, wir hätten weniger Regulierung und stattdessen bessere Rahmenbedingungen, sodass sich die Kunden wegen des günstigen Stroms und einer guten Ladeinfrastruktur fürs E-Auto entscheiden. Dann braucht es keine Verbote. Die richtigen Produkte haben wir jetzt. Volkswagen hat seine Hausaufgaben gemacht.

Gilt das auch für den wichtigen chinesischen Markt? Oder muss man da etwas anders machen?

Den deutschen Standard einfach in die Welt auszuliefern, funktioniert leider nicht mehr. In China bieten wir spezielle Features an, etwa einen Avatar, mit dem man sprechen kann, oder eine Karaoke-Funktion. Auch die Lichtsignatur und das Gesicht der Autos sind anders gestaltet als in Europa, damit sie den Kundinnen und Kunden besser gefallen. Die Märkte und die Ansprüche unterscheiden sich stark. Dem wollen wir gerecht werden.

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