Generalsanierung der Riedbahn im Herbst 2024. © Sepp Spiegl, IMAGO
München – Im März hat noch der alte Bundestag mit den Stimmen von Union, SPD und Grünen das „Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität“ im Grundgesetz verankert. Die Idee: Mit Schulden in Höhe von 500 Milliarden Euro soll der Investitionsstau in Deutschland aufgelöst werden. Offenbar ist das aber nur teilweise der Fall: „Tatsächlich nutzt die Bundesregierung die Mittel auch, um Löcher im Haushalt zu stopfen“, lautet der Vorwurf des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Eigentlich sollten die 500 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stehen und keine bestehenden Investitionen ersetzen. „Das Versprechen bricht die Bundesregierung mit dem Haushalt 2026“, kritisierte das IW am Samstag mit Verweis auf eine eigene Berechnung.
Demnach sind für die Bahn 18,8 Milliarden Euro im Jahr 2026 im Sondervermögen eingeplant. Gleichzeitig sinken die Schieneninvestitionen im Bundeshaushalt um 13,7 Milliarden Euro. Zieht man die Eigenkapitalerhöhung der Deutschen Bahn ab, habe sich die Regierung 8,2 Milliarden Spielraum im Haushalt verschafft.
„Die Bundesregierung verspielt mit diesem Vorgehen viel Glaubwürdigkeit“, sagte IW-Haushaltsexperte Tobias Hentze. „Statt neuer Brücken finanziert Deutschland mit dem Sondervermögen jetzt auch die Mütterrente. Das ist ein schweres Foulspiel.“
Laut IW wird nicht nur bei der Bahn getrickst: Auch beim Straßenbau und dem Breitbandausbau werden demnach Milliarden aus dem Sondervermögen in den Haushalt verschoben. Das volle Ausmaß dieser Praxis bleibe aber im Dunklen, weil die Verschiebung von Ausgaben zwischen Kernhaushalt, Sondervermögen sowie dem Klima- und Transformationsfonds „schwer nachvollziehbar“ sei, bemängelt das IW.
Für die Bahn kommen die Nachrichten zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Aktuell wird über Preiserhöhungen diskutiert – bei einer gleichzeitigen Ausdünnung des Angebots im Fernverkehr. Bei Politikern und Verbraucherschützern stieß das am Wochenende auf Kritik. „Die Fahrgäste haben für die drohende Preiserhöhung und Streckenausdünnung im Fernverkehr kein Verständnis“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Luigi Pantisano, dem „Tagesspiegel“. „Ticketpreiserhöhungen um mehr als zehn Prozent können sich viele Menschen nicht mehr leisten.“ Der Chef der Bahngewerkschaft EVG, Martin Burkert, hatte zuvor gewarnt, dass die Bahn wegen des Anstiegs der Trassenpreise zeitnah die Fahrpreise im Fernverkehr „um deutlich mehr als zehn Prozent“ erhöhen könnte.
Der „Tagesspiegel“ berichtete zudem unter Berufung auf interne Unterlagen, dass die Bahn 2026 viele ICE- und Intercity-Verbindungen zu touristischen Zielen sowie kleineren Großstädten streichen könnte. Das Ausmaß ist unklar, die Bahn dementiert das. Sicher ist aber: In Bayern fallen wie berichtet die ICE-/IC-Züge nach Garmisch-Partenkirchen, Oberstdorf und Berchtesgaden weitgehend weg. Auch anderswo drohen Einschnitte. Lübeck etwa soll von Fernzügen gar nicht mehr angefahren werden, auch Kiel soll Direktverbindungen nach Köln, München und Basel verlieren.
Kritik kam von Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU). Der Vize-Chef des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Lukas Iffländer, sieht die nun Regierung in der Pflicht. Der Bund müsse als Eigentümer festlegen, „welcher Fernverkehr gewünscht ist und wie dieser finanziert wird“. Stattdessen rede sich die Regierung damit heraus, dass die Bahn den Fernverkehr eigenwirtschaftlich betreibe und deshalb allein über das Streckennetz entscheide.SH/AFP