„Energiewende am Scheideweg“

von Redaktion

Berlin – Privathaushalte, Landwirte und Gewerbebetriebe müssen sich darauf einstellen, dass neue Solaranlagen auf ihren Gebäude-Dächern bald nicht mehr finanziell gefördert werden. Die „Abschaffung der fixen Einspeisevergütung für Neuanlagen“ kündigt Wirtschaftsministerin Katherina Reiche an

Die Ansage war Teil der Pressekonferenz, bei der Reiche das Energiewende-Monitoring präsentierte. Dabei handelt es sich um ein Gutachten, welches das Ministerium bei den Instituten BET und EWI der Universität Köln in Auftrag gegeben hatte. Themen: Wie ist der Übergang von den fossilen zu den Erneuerbaren Energien vorangeschritten, welche Probleme gibt es, wie soll es weitergehen?

„Die Energiewende steht an einem Scheideweg“, sagte Reiche. „Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit wurden zu lange nicht ausreichend berücksichtigt“, erklärte das Ministerium. Die Strompreise müssten „am Markt entstehen, nicht per Subventionen“.

Das betrifft etwa künftige Photovoltaik-Module auf Dächern, deren Besitzer heute beispielsweise rund sechs Cent für jede Kilowattstunde erhalten, die sie ins öffentliche Stromnetz einspeisen. Dabei rechneten sich die Anlagen auch ohne Förderung, wenn man sie mit Batterien kombiniere, um die Elektrizität später verwenden zu können, sagte Reiche. Auch Solar-Freiflächen-Kraftwerke und Windparks sollten bald keine feste Einspeisevergütung mehr bekommen. Für diese großen Anlagen könnte es allerdings andere Arten der Förderung geben.

Insgesamt betonte die Bundeswirtschaftsministerin, dass sie die Energiewende nicht abwickeln wolle. „Der bisherige Erfolg“ – Ökokraftwerke liefern mittlerweile rund 60 Prozent des Stroms – stelle eine „große Leistung“ dar. Das Ziel der Klimaneutralität 2045 sei der „zentrale Maßstab“. Reiche umriss „zehn Schlüssel-Maßnahmen“.

Nummer Eins: „Ehrliche Bedarfsermittlung und Planungsrealismus“. Soll heißen: Ihr Vorgänger Robert Habeck (Grüne) habe die Nachfrage nach Strom für 2030 mit 750 Terawattstunden (Twh, Billionen Wattstunden) viel zu hoch geplant. Die Wirtschaft entwickele sich aber langsamer. Nach Einschätzung der Gutachter werden 2030 nur 600 bis 700 Twh gebraucht. Wenn Deutschland dann 80 Prozent davon mit Erneuerbaren Energien herstelle wolle, woran Reiche festhält, falle auch die benötigte Ökostrommenge geringer aus. Also würden weniger zusätzliche Windparks und Solarkraftwerke gebraucht.

Eine weitere von Reiches Maßnahmen: Die Erneuerbaren Energien sollten „systemdienlich“ ausgebaut werden – beispielsweis in der Nähe von Industriebetrieben, die die Elektrizität sofort verbrauchen. Andere Ökokraftwerke könnten dann keine Förderung mehr erhalten. Heute stehen viele Windräder im Norden zeitweise still, weil ihr Strom mangels Leitungen nicht die Unternehmen in Bayern erreicht.

Auch der Netzausbau ist ein Punkt auf der Liste. Für die großen Überland- und mittleren Verteilleitungen rechnen die Gutachter mit einem Investitionsbedarf von 770 Milliarden Euro bis 2045. Sie plädieren für Einsparungen, um die Gesamtkosten des Stromsystems zu senken. Eine Maßnahme könnte darin bestehen, Starkstromleitungen künftig wieder mit Masten zu bauen und nicht teuer unter die Erde zu verlegen. Mit letzterem hatten sich Regierungen der vergangenen 15 Jahre allerdings die Zustimmung der Bevölkerung erkauft.

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