Straßenlaterne als Handymast

von Redaktion

Markus Haas, Chef von Telefónica/O2 in Deutschland, präsentierte gestern an der Münchner Theresienwiese eine neue Generation von Handymasten. © Foto: Oliver Bodmer

München – Sie sieht aus wie eine Straßenlaterne. Sie ist auch eine. Aber eine mit einer Besonderheit: „Im Sockel steckt Systemtechnik drin, oben, auf dem zehn Meter hohen Laternenmast, sitzt eine Mobilfunkantenne“, so Alexander Seitz, er ist beim Münchner Mobilfunkkonzern Telefónica Deutschland für den Netzausbau verantwortlich. Fünf solcher Handy-Laternen hat Telefónica gestern in München offiziell in Betrieb genommen, alle rund um die Theresienwiese.

Im vergangenen Jahr hatte Telefónica – besser bekannt als O2 – während des Oktoberfestes rund um die Festwiese ein Datenvolumen von 240 000 Gigabyte registriert – 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Jahr 2019 waren es noch 40 000 Gigabyte, 2024 wurde dieses Datenvolumen an einem einzigen Wochenende erreicht. „Früher hat man Fotos rumgeschickt, heute sind es Videos, manchmal werden die Videos einfach von einem Zelt ins nächste Zelt geschickt“, sagte Seitz. Die großen Datentreiber seien Instagram und Tiktok, auch hätten viele Tarife heute kein Datenlimit mehr.

Während Telefónica die Antennen betreibt, ist die Stadt für das Licht verantwortlich – ihre Funktion als Straßenlaterne verlieren die Masten nicht. „Wenn wir eine Laterne an den Mast machen, merkt niemand, dass da überhaupt etwas steht – das ist unauffällig“, sagte Seitz. Christian Scharpf, Wirtschaftsreferent der Stadt München und Wiesnchef, nannte das Konzept „smart und innovativ“, die Stadt habe das Projekt daher unterstützt, um es pünktlich zur Wiesn in Betrieb zu nehmen.

Dass Netzbetreiber während eines Großereignisses zusätzliche Kapazitäten aufbauen, ist nicht neu. Allein Telefónica installiert in diesem Jahr 22 temporäre Handy-Masten auf der Wiesn. Jetzt kommen zusätzlich die 5G-Laternen dazu – sie bleiben aber dauerhaft stehen, obwohl sie nach der Wiesn praktisch überflüssig sein werden. „Der Aufbau der temporären Anlagen für einen Monat ist aber relativ kostspielig“, sagte Seitz. „Es ist daher günstiger, die Masten das ganze Jahr über stehen zu lassen.“ Wie viel genau eine Laterne kostet, will Seitz nicht sagen. Nur so viel: „Die Kosten einer Laterne liegen etwa bei 50 bis 60 Prozent der Kosten eines Dachstandortes.“ Das entspreche auch etwa den Verhältnissen der Leistung: Während ein Dachstandort mehre Wohnblöcke mit Netz versorgen könne, deckten die Straßenleuchten einen Radius von etwa 500 Metern ab.

Ersetzen werden die Straßenlaternen herkömmliche Mobilfunkstandorte aber nicht. „Das ist eine Ergänzung“, sagte Seitz. Geplant sei ein zusätzliches Netz, insbesondere an lokalen Hotspots.“ Das seien etwa der Marienplatz in München, Fußgängerzonen oder vielbefahrenen Straßen. Bis zum Jahresende will Telefónica 50 Straßenlaternen aufgebaut haben. Auch anderorts wird zugebaut: „Wir haben die 25 größten deutschen Städte im Blick, aber auch einige Hotspots an der Nord- und Ostsee“, sagte Seitz. Teilweise stehen die Masten schon. „Denkbar ist, dass wir in den kommenden Jahren jedes Jahr eine dreistellige Zahl an Straßenlaternen neu dazubekommen“, sagte Seitz.

Der Chef von Telefónica Deutschland, Markus Haas, forderte im Gespräch mit unserer Zeitung schnellere Verfahren. „Ich wünsche mir, dass wir die Masten mit einer Genehmigungsfreistellung bauen können.“ Dann benötige man für die Laternen keine Baugenehmigung mehr, bei herkömmlichen Mobilfunkstandorten sei das heute schon möglich.

Telefónica ist aktuell der einzige Netzbetreiber in Deutschland, der im großen Stil 5G-Laternen baut. Anders die Telekom: „Wir haben mit den Small Cells experimentiert, wir sind davon aber wieder weg“, sagte ein Sprecher des Konzerns aus Bonn. Zwar sehe auch die Telekom die Notwendigkeit, ihre Kapazitäten auszubauen, sie setze aber auf die Modernisierung bestehender Mobilfunkstandorte.

Vodafone ergänzt sein Netz dagegen mit extra-kleinen Funkzellen: „Wir setzen deshalb unter anderem auf die gute alte Litfaßsäule“, sagte ein Firmensprecher. „Die muss nur umfunktioniert werden und ist deutlich preiswerter umzurüsten als ein Dachstandort.“ Am Heimatstandort Düsseldorf habe Vodafone rund 100 Litfaßsäulen umgerüstet, in Stuttgart seien 100 solcher Standorte geplant, in Berlin gebe es ein Pilotprojekt. Auch Straßenlaternen hat Vodafone installiert, etwa in Köln – verglichen mit Telefónica aber deutlich weniger.

Der technologische Ansatz mag unterschiedlich sein, in einer Sache herrscht zwischen den drei Konkurrenten Einigkeit: Der Video-Boom am Handy wird nicht abebben. Allein Telefónica rechnet in Zukunft mit einem Kapazitätszuwachs von 25 Prozent im O2-Netz – und zwar jedes Jahr.

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