Im Athener Hafen sollen chinesische Güter geschmuggelt worden sein. Die Behörden vermuten, dass damit Schutzzölle umgangen werden sollten. © Imago
Athen – Spektakulärer Schlag: Die Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO) hat im Hafen von Piräus 2435 Container wegen mutmaßlichen Zoll- und Mehrwertsteuerbetrugs bei aus China eingeführten Waren beschlagnahmt. Ferner leiteten die europäischen Staatsanwälte die Strafverfolgung von insgesamt sechs Personen ein.
Das gab die EPPO in einer offiziellen Pressemitteilung bekannt. Die beschlagnahmten Container enthielten vor allem Elektrofahrräder, Textilien sowie Schuhe. Deren Gesamtwert belaufe sich auf 250 Millionen Euro. Griechenlands größter Hafen, der vor den Toren Athens liegt, gehört mehrheitlich dem chinesischen Staatsunternehmen Cosco. In der Rangliste der größten Containerhäfen Europas belegt Piräus unter der Ägide von Cosco mittlerweile Platz vier (Stand: 2023). Spitzenreiter ist Rotterdam. Es folgen Antwerpen-Brügge sowie Hamburg.
Bei der Beschlagnahmung der Container in Piräus handelt es sich um die größte dieser Art in der Europäischen Union im Rahmen der Operation mit dem Codenamen „Calypso”. Sie richtet sich gezielt gegen kriminelle Netzwerke, die die gesamte Importkette chinesischer Produkte in die EU kontrollieren. Ziel der Netzwerke sei es laut den europäischen Ermittlern, die beim Import von Waren aus China fälligen Zölle zu umgehen und umfangreichen Mehrwertsteuerbetrug zu begehen. Das geht so: Bei den im Hafen von Piräus beschlagnahmten Containern mit Elektrofahrrädern wurde lediglich ein geringer Anteil ihrer tatsächlichen Anzahl bei den Behörden angegeben. Konkret enthielten zwar gut 500 der beschlagnahmten Container in Piräus Elektrofahrräder. Davon waren aber 360 nicht bei den Zollbehörden angemeldet.
So sollte die Zahlung von Antidumpingzöllen auf chinesische Einfuhren vermieden werden. Allein bei den Elektrofahrrädern beläuft sich der Schaden für den europäischen Haushalt aufgrund nicht entrichteter Zölle auf rund 25 Millionen Euro. Weitere 12,5 Millionen Euro an Mehrwertsteuer wurden nicht abgeführt. Dieser Betrug sei in Piräus wenigstens acht Jahre lang begangen worden, so die EPPO. Die Einnahmenverluste für den europäischen Haushalt belaufen sich demnach über den gesamten Zeitraum auf insgesamt rund 800 Millionen Euro. Davon entfallen 350 Millionen Euro auf nicht entrichtete Zölle und weitere 450 Millionen Euro auf nicht gezahlte Mehrwertsteuer.
Im Visier der EPPO stehen zwei griechische Zollbeamte. Sie hätten falsche Angaben gemacht, die zu illegalen Gewinnen der Netzwerke und zu Verlusten für den europäischen Haushalt geführt haben. Angeklagt sind ferner vier Zollagenten. Ihnen wird wiederholter Zollbetrug sowie Anstiftung zu falschen Angaben vorgeworfen. Die kriminellen Netzwerke werden mutmaßlich von chinesischen Staatsangehörigen kontrolliert, so die EPPO. Sie sollen ebenso in Geldwäsche und die Überweisung der Gewinne nach China verwickelt sein. Angaben der Europäischen Staatsanwaltschaft zufolge wurden im Rahmen der Operation „Calypso“ Ende Juni 2025 in vier Ländern insgesamt zehn Verdächtige festgenommen.
„Diese gut organisierten kriminellen Netzwerke haben sich seit Jahren auf solche Betrügereien spezialisiert“, betont die leitende Europäische Staatsanwältin Laura Kövesi. Diese Operation sende eine klare Botschaft: „Die Regeln haben sich geändert. Es gibt keine sicheren Zufluchtsorte mehr.“ Kövesi forderte mehr spezialisierte Polizeibeamte, Zoll- und Steuerfahnder in der EU.
Für Kövesi ist der Schlag in Piräus ein weiterer Fahndungserfolg. Die 52-jährige Rumänin leitete von 2013 bis 2018 die Nationale Antikorruptionsbehörde Rumäniens. Seit Anfang Juni 2021 leitet die Juristin die neu ins Leben gerufene Europäische Staatsanwaltschaft.