Herbst-Rally an den Börsen

von Redaktion

Rekordjagd an den US-Börsen: Die Aussicht auf niedrige Zinsen und eine mögliche Einigung im US-Zollstreit mit China lassen die Kurse in die Höhe schnellen. © SPENCER PLATT, getty via afp

München – Nur wenige Wochen nach dem Jahreswechsel schockierte US-Präsident Donald Trump die Börsen mit seiner Politik der hohen Zölle – der Kursverfall ging als „Trump-Crash“ in die Geschichtsbücher ein. Seitdem haben sich die Märkte erholt, es geht steil bergauf, insbesondere in den USA. An der Wall Street erklomm der Dow Jones gestern zum Handelsstart ein Rekordhoch von 47 532 Punkten, der S&P 500 und der Nasdaq 100 setzten ihren Rekordlauf vom Freitag ebenfalls fort (siehe Grafiken). Auch der deutsche Leitindex Dax hatte in den vergangenen Wochen ein Rekordhoch nach dem anderen erreicht, Börsen-Experten rechnen damit, dass die Rally in den kommenden Wochen weiter geht.

„Wir hatten an den Aktienmärkten eine tolle Performance in diesem Jahr, aber ich denke, da kann man durchaus noch eine Schippe drauflegen“, sagte gestern Robert Halver, Analyst bei der Baader Bank. „Ich kann mir gut vorstellen, dass sich der Dax mit einem neuen Allzeithoch aus dem Jahr 2025 verabschiedet.“

Martin Siegert von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) hatte es bereits am Freitag so formuliert: „Die schwierigen Börsenmonate sind beinahe überstanden.“ Aus statistischer Sicht sei der Boden bereitet für einen freundlichen Jahresausklang. „Bei positiver Dax-Performance von Januar bis Oktober folgten in 20 von 24 Fällen weitere Kursgewinne bis zum Jahresende“, rechnete Siegert vor.

Einer der Gründe für den Optimismus: „Wir haben die Fantasie an den Märkten, dass die Zinsen weiter sinken“, sagte Halver. Morgen tagt die US-Notenbank Fed, die meisten Experten erwarten, dass die Fed die Zinsen um 0,25 Basispunkte senken wird. „Die Zinssenkungen in Amerika haben gerade erst begonnen“, sagte Halver. Im Dezember dürfte der nächste Zinsschritt folgen. „Und im nächsten Jahr gibt‘s einen neuen Notenbankchef – ernannt von Gottes Gnaden“, sagte Halver mit ironischem Unterton – gemeint ist US-Präsident Trump. „Und dieser steht weiter für eine großzügige und billige Geldversorgung.“

Für LBBW-Analyst Siegert ist der morgige Mittwoch aber noch aus einem zweiten Grund entscheidend: Die Technologie-Giganten Alphabet (Google), Meta (Facebook) und Microsoft veröffentlichen ihre Quartalszahlen. Siegert glaubt, dass die drei US-Konzerne „der Fed die Show stehlen“ werden. „Deren Berichte zum dritten Quartal, wie auch diejenigen von Amazon und Apple am Donnerstag, werden vermutlich höheren Einfluss auf den restlichen Jahresverlauf an den Aktienmärkten haben.“

Analyst Halver sagte: „Wenn die US-Technologiekonzerne diese Woche auch nur geringfügig enttäuschen sollten, dann wird das der gesamte Markt spüren.“ Allerdings nicht sehr lange, ist er sich sicher. „Das heißt: Große Schwankungen an den Aktienmärkten sind in den kommenden Monaten möglich, insgesamt sollte es aber bis zum Jahresende weiter aufwärts gehen.“

Denn es gibt noch einen dritten Grund für Zuversicht: Im Zollstreit stehen die USA und China vor einem möglichen Kompromiss. Gestern bekräftigte Trump auf dem Weg nach Japan seine Hoffnung auf eine baldige Beilegung des Handelskriegs. „Ich habe großen Respekt vor Präsident Xi (Jinping), und ich denke, wir werden eine Einigung erzielen“, sagte Trump gestern an Bord der Air Force One. In Asien schnellten die Aktienkurse in die Höhe. Trump wird Xi am Donnerstag in Südkorea treffen.

„Die Chinesen sind in der Frage der Zölle in einer stärkeren Position als die Amerikaner“, sagte Ökonom Martin Lück von der Beratungsfirma Macro Monkey. Eine Einigung liege auf der Hand. „Das Problem an der US-Regierung unter Trump ist, dass sie einfach nicht verlässlich ist und sie morgen schon wieder etwas komplett anderes sagen könnte.“

Trotz der insgesamt positiven Aussichten am Aktienmarkt für die kommenden Monate sieht Lück mittelfristig auch Risiken: Er weist darauf hin, dass die US-Technologieunternehmen mit einem Fünftel der Marktkapitalisierung den weltweiten Aktienmarkt dominieren. „Da ist ein riesiges Konzentrationsrisiko“, sagt Lück, zumal der „KI-Hype“ ein großes Enttäuschungspotenzial berge. „In dem Moment, wo die Märkte anfangen, den Daumen zu senken, implodieren ganze Produktionsketten“, warnt er. Kleinanlegern rät er, nicht nur in die internationalen Tech-Konzerne zu investieren. Eine Alternative seien etwa heimische Unternehmen mit Substanz, die regelmäßig Dividenden ausschütten.

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