Fed-Chef Jerome Powell versucht, die Unabhängigkeit der US-Notenbank zu verteidigen. Doch lange wird Powell nicht mehr im Amt sein. © ALEX WONG, Getty Images via afp
München – Trotz ordentlicher Gewinne an den Aktienmärkten gibt es bei Großanlegern, Bankern und Analysten viele Sorgenfalten: Mit Donald Trump als US-Präsident ist nicht nur die Weltpolitik schwieriger geworden, auch an den Finanzmärkten kann man sich nicht mehr auf alte Gewissheiten verlassen. Unter anderem beschimpft Trump seit Monaten Jerome Powell, den Chef der US-Notenbank. Was steckt dahinter? Und wie ernst muss man das nehmen? Das erklärt Jürgen Michels, Chefvolkswirt der BayernLB.
Herr Michels, der Goldpreis ist in den vergangenen Monaten massiv gestiegen. Erst in den letzten Wochen wurde der Höhenflug gestoppt. Was steckt dahinter?
Nachdem der Goldpreis so stark gestiegen ist, gab es jetzt eine gesunde Korrektur. Das Spannende ist aber, warum Gold überhaupt so stark zugelegt hat. Das lag auch an der großen Unsicherheit über die Zukunft der USA. Und die hat gleich mehrere Gründe.
Welche?
Natürlich geht es um die Frage, wie sich die Zölle auf die US-Wirtschaft auswirken. Daten dazu gibt es im Moment kaum, weil viele Behörden, die Statistiken erstellen, seit Wochen im Shutdown sind. Hinter dem Anstieg des Goldpreises verstecken sich aber unterschwellig noch andere Fragen. Etwa die, ob die hohe Schuldenlast der USA längerfristig tragbar ist. Man hat auch gesehen, dass Amerika sich nicht mehr an internationale Verträge und Vereinbarungen gebunden fühlt und US-Präsident Donald Trump Gerichtsurteile ignoriert. Deshalb gibt es Sorgen über eine Verfassungskrise in den USA. An den Finanzmärkten beobachtet man außerdem ganz genau, ob die Unabhängigkeit der US-Notenbank Fed fällt. Das wäre ein tiefer Einschnitt.
Wird Trump denn die Axt an die Fed legen?
Ich befürchte, dass er das im kommenden Jahr versuchen wird, wenn die Amtszeit des aktuellen Fed-Chefs Jerome Powell endet. Die Trump-Regierung wird dann einen Nachfolger einsetzen und der könnte sich den eigentlichen Zielen der Fed nicht mehr verpflichtet fühlen, nämlich die Inflation niedrig, auf zwei Prozent zu halten und für Vollbeschäftigung zu sorgen.
Sondern?
Er könnte sich für die Ziele der Regierung einspannen lassen. Und die sind klar: Runter mit den Zinsen.
Wird das funktionieren?
Wer weiß. Trump träumt von einer Reindustrialisierung der USA, er will den Rust Belt wieder glänzen lassen. Das ist auch der Hauptgrund für die Zölle. Die USA investieren zudem gigantische Summen in das Silicon Valley und neue Technologien wie Künstliche Intelligenz. Für all das braucht das Land Geld. Die Regierung weicht bereits die Kapitalanforderungen für Banken auf, während parallel der Schuldenberg wächst. Bleiben die Zinsen hoch, wird das zum Problem. Die Pleiten bei Regionalbanken zeigen, dass es erste Risse im Kapitalmarkt gibt.
Die USA sind der Mittelpunkt des globalen Finanzsystems und der Dollar dessen Leitwährung. Würde es nicht das Vertrauen in das System untergraben, wenn Politiker Zinsen diktieren?
Instrumentalisiert Trump die Fed für seine Zwecke, wird das eine Vertrauenskrise auslösen. Der Dollar wird dann regelrecht abstürzen. Er könnte mittelfristig auf 1,40 Dollar je Euro fallen. Zum Vergleich: Bei Trumps Amtsantritt musste man für einen Euro nur 1,05 Dollar hinlegen. Das wäre also ein Wertverlust des Dollars von fast 40 Prozent.
Und umgekehrt eine massive Aufwertung des Euro. Was würde das für Europa bedeuten?
Es würde Kapital nach Europa umgeleitet. Mit einem starken Euro würden auch die umfangreichen europäischen Energieimporte günstiger werden. Beides wäre positiv. Gleichzeitig würden sich aber europäische Produkte im Ausland massiv verteuern. Das würde Europas Exportwirtschaft stark treffen, vor allem die deutsche Industrie. Und die ist wegen der Zölle und der Flut chinesischer Billigprodukte schon jetzt in großen Schwierigkeiten.
Europa im Sandwich zwischen China und den USA?
Vielleicht. Das Beste bei einem Sandwich ist aber nicht das Brot auf den Seiten, sondern der Inhalt in der Mitte. Aber Spaß beiseite: Europa muss seinen Binnenmarkt stärken, dort gibt es immer noch zu viele Handelshemmnisse, etwa bei Agrargütern oder in der Textilindustrie. Auch bei der Verteidigung, am Kapitalmarkt oder bei Finanzierungen muss Europa besser kooperieren.
Etwa mit gemeinsamen europäischen Schulden?
Es gibt gute Gründe, warum wir uns in Europa nicht bedingungslos vertrauen. Aber wenn man sieht, wie stark das Vertrauen in unsere bisherigen Partner in den letzten Monaten erodiert ist, sollte man sich genau fragen, ob ein starkes Europa als Gegenpol nicht die bessere Alternative wäre. Hier muss die europäische Politik Kompromisse finden. In einem Umfeld, in dem nationale Befindlichkeiten eine immer größere Rolle spielen, ist das der Wählerschaft aber zugegebenermaßen schwer zu vermitteln.