Regionale Spediteure unter Strom

von Redaktion

Gerade in gebirgigen Gegenden sind elektrische Lkw wegen der Energie-Rückgewinnung im Vorteil. © man

München – Ein ungewohntes Fahrerlebnis: Steigt man vier Leiterstufen in die Kabine hoch, ein vertrautes Ambiente: Angurten, Zündung ein, den Schlüssel weiterdrehen wie zum Anlassen. Doch kein Motor regt sich. Den filigranen Schalthebel – der keiner mehr ist – nach vorn. Die Feststellbremse lösen.

Rund 15 Tonnen Leergewicht setzen sich lautlos in Bewegung. Überblickt man die Ausmaße des vollelektrischen MAN-TGX, ist das Fahren kein Hexenwerk. Die vier Gänge (Balsam für Zulieferer) schalten automatisch.

Das wird auf rechten Autobahn-Spuren bald zur Regel. Lange galt der städtische Lieferverkehr als Einfallstor für Elektro-Lkw. Nun setzt der Fernverkehr zum Überholen an. Maut-Befreiung und – wegen höherer Stromabnahme – eine bessere Verhandlungsposition gegenüber den Versorgern haben die Prioritäten verändert.

Noch sind nur 4,5 Prozent der neuen schweren Nutzfahrzeuge elektrisch. Johannes Pallasch, Leiter der nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, rechnet für 2030 mit 43,3 Prozent. Eine Herausforderung für sein 63-köpfiges Team: 350 Standorte mit 4200 Ladepunkten sind nötig. Jeder mit dem Strombedarf einer Kleinstadt. Das dulde keine Verzögerung. Nur mehr Angebot kann den Durchbruch vorantreiben. Mangel treibt die Preise fürs Laden.

Viele Speditionen setzen auf eigene Solarparks. Im Norden nutzen sie, wie Nanno Janssen, Chef der gleichnamigen Spedition aus Leer (Ostfriesland) erläutert, den Windstrom. Doch auch unterwegs wird geladen. Und dafür fordert MAN-Vertriebsvorstand Friedrich Baumann Preise von unter 40 Cent pro Kilowattstunde (kWh).

Ein Diesel-Truck braucht knapp 30 Liter für 100 Kilometer. Das elektrische Pendant knapp 90 kWh. Ergibt grob gerechnet einen Kostenvorteil von unter zehn Cent pro Kilometer für den e-Truck. Neben Mautersparnis und günstigerer Wartung ist dieser Vorteil wichtig für den Durchbruch. Batterie-Lkw kosten das Zweieinhalbfache eines Diesels, räumt Baumann ein. Differenz: Über 100 000 Euro, die erwirtschaftet werden müssen.

Bei den Spediteuren sieht Baumann drei Gruppen: Die erste will umsteigen. Die zweite tut’s, weil die Kunden es fordern. Die dritte lehnt den Umstieg ab. Aber: Diese Gruppe schrumpft, so Baumann, während die zweite wächst.

Ein großer Auftraggeber im MAN-Umfeld ist die VW-Konzernlogistik. „Gerade im Landverkehr sind die CO2-Emissionen von Diesel-Lkw im Verhältnis zur Transportleistung besonders hoch“, sagt deren Leiter Simon Motter. Batterieelektrik ist für ihn „die geeignetste Technologie für eine klimafreundliche Nutzfahrzeugflotte“. MAN und VW haben Beteiligte zum Austausch ins Münchner Truck-Forum eingeladen. Ladepark-Betreiber, Ladesäulenhersteller und Logistiker. Mehr als 50 Speditionen sind der Einladung gefolgt. Das Interesse ist also hoch.

Doch wie sieht’s für die Praktiker im Alltag aus? In Deutschland klappt’s, findet Nanno Jansen. „E-Mobilität“, sagt er, „kann regionale Spediteure pushen, wenn sie günstigen Strom haben.“ Und in den Nachbarländern? „Skandinavien – ein Traum, Frankreich schwierig, Italien teuer.“ Aber Janssen will ältere Lkw nur noch durch neue E-Trucks ersetzen. „Der Kauf eines Diesels lohnt sich nicht mehr.“ Der „Brummi“ könnte bald seinen Stammplatz im Duden verlieren.

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