Für das Testprojekt soll nachgewiesen werden, dass Autos mit HVO100 betankt wurden. Der Nachweis sei aber auch bei E-Fuels möglich, so BMW. © IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON
München – BMW startet gemeinsam mit Flottenbetreibern in Deutschland und Italien ein Projekt, bei dem alle Betankungen der beteiligten Autos mit HVO100 automatisch nachgewiesen werden sollen. Der alternative Kraftstoff gilt als Diesel-Ersatz, der aus Abfallstoffen wie Altöl oder tierischen Fetten hergestellt wird und der eine bis zu 90 Prozent bessere CO2-Bilanz hat. „Wir wollen der Politik zeigen, was technisch einfach und bereits heute umsetzbar ist“, sagt Stefan Heller, der für BMW das Projekt leitet. Die Testflotte soll im kommenden Jahr mehrere hundert Fahrzeuge umfassen.
Hintergrund ist der Plan der EU, ab 2035 nur noch Neuwagen zuzulassen, die kein CO2 ausstoßen. Auch auf Druck der Bundesregierung will die EU bald erneut darüber verhandeln. Dabei geht es vor allem um den sogenannten Erwägungsgrund 11. Demnach soll die EU Vorschläge machen, welche Ausnahmen es für klimaneutrale Kraftstoffe – sogenannte CNF – wie E-Fuels oder HVO100 geben könnte. Ziel der Kraftstoffbranche und einiger Autohersteller ist es, eine neue Fahrzeugklasse für nachweislich mit CNF betankte Verbrenner einzuführen. Die Union unterstützt das Vorhaben, Grüne und SPD lehnen es ab.
Technisch ist der Nachweis offenbar machbar. Sensoren in Motor, Tank oder Leitungen, die prüfen, ob Diesel, Benzin, E-Fuels oder HVO 100 getankt wurden, brauche man dafür gar nicht, so BMW. Sie seien zudem fehleranfällig. Besser: ein indirekter Nachweis über eine digitale Lösung, wie sie BMW mit der Testflotte erprobt. „Auf der Tankabrechnung steht schon heute, welcher Kraftstoff gewählt wurde, wie viele Liter getankt wurden und damit wie die CO2-Neutralität der Tankfüllung aussieht“, sagt BMW-Projektleiter Heller. „Gleichzeitig können wir über Fahrzeugdaten wie Standort, Uhrzeit und Tankinhalt exakt ermitteln, wann und wo ein Tankvorgang am Auto stattgefunden hat“, erklärt er. „Der Trick ist nur, die beiden Daten im Hintergrund zusammenzuführen und zu speichern.“ So erhalte man eine genaue Tankhistorie samt Kraftstoffnachweis für jedes einzelne Fahrzeug.
In Europa bieten bald 7000 Tankstellen HVO 100 an. Vorreiter sind Italien und Spanien, auch in Deutschland wächst das Angebot. Deshalb sei der Kraftstoff gut für das Testprojekt geeignet, erklärt BMW. Der Tanknachweis sei künftig aber für alle CNF-Kraftstoffe möglich, also auch für E-Fuels. Für Verbraucher bedeute er keinen zusätzlichen Aufwand, verspricht Heller. „Man muss keine zusätzlichen Systeme bedienen oder Tankzettel sammeln, der Nachweis erfolgt automatisch im Hintergrund“, versichert er. Für Fahrer und Flottenbetreiber, für die E-Autos bisher keine Option sind, wäre es so trotzdem möglich, Klimaneutralität nachzuweisen. „Jetzt ist die Politik am Zug, diesen digitalen Nachweis für ausschließlich mit CNF-betriebene Fahrzeuge in der Revision der CO2 Flottengesetzgebung zuzulassen“, fordert Heller. „Wir planen eine Serienreife bereits Ende 2027 – zeitgleich mit dem Einführungstermin von Euro7“, sagt er. Das wäre ein starker Beitrag in Richtung CO2-Neutralität für neue Fahrzeuge und im Fahrzeugbestand, heißt es aus der Branche.
Allein in der EU sind etwa 250 Millionen Fahrzeuge unterwegs, die meisten mit Verbrenner. Viele Experten bezweifeln jedoch, dass sich alternative Kraftstoffe in der Masse durchsetzen. Vor allem bei aus Erneuerbaren Energien erzeugten E-Fuels sei der Wirkungsgrad gering, bestätigt der ADAC. Der Autoclub verweist darauf, dass man mit einem Windrad mit drei Megawatt Leistung rund 1600 E-Autos mit Strom versorgen könne. Wandle man den Strom in E-Fuels um, reiche er nur noch für 250 Fahrzeuge. Das treibt auch die Kosten für die Fahrer, wie eine Berechnung der Forscher von Scientists for Future zeigt. Demnach könnten E-Fuels je Kilometer künftig rund dreimal so teuer sein wie Ladestrom.
Die Zukunft der Autoindustrie sei elektrisch, glaubt Michael Bloss, der für die Grünen im Europaparlament sitzt. Gerade BMW könne stolz auf seine erfolgreichen E-Autos sein. „Die Hersteller sollten sich daher nicht auf Seitenstraßen und Hintertürchen konzentrieren“, sagt Bloss. „Ein Etikettenschwindel mit HVO 100 und E-Fuels stiftet nur Verwirrung und täuscht Verbraucherinnen und Verbraucher.“ Statt Flottenziele abzuschwächen, solle die Politik lieber den Kauf von E-Autos durch eine bessere Ladeinfrastruktur und günstigere Strompreise unterstützen.