Die Ökonomen überreichen ihr Gutachten (von links): Martin Werding, Achim Truger, die Vorsitzende Monika Schnitzer, Ulrike Malmendier und Veronika Grimm. © Pedersen, dpa
Berlin – Die Konjunktur kommt nach der neuen Prognose des Sachverständigenrats auch im kommenden Jahr nicht richtig in Schwung. Nach einem Mini-Wachstum von 0,2 Prozent in diesem Jahr rechnet das die „Wirtschaftsweisen“ genannte Gremium mit einem Plus des Bruttoinlandsprodukts von 0,9 Prozent. Von einem breit angelegten Aufschwung sei auch im kommenden Jahr nicht auszugehen, heißt es im gestern in Berlin vorgestellten Jahresgutachten.
■ Eine Expertin lehnt Reform ab
Die Wirtschaftsweisen sprechen sich in ihrem Jahresgutachten dafür aus, die Erbschaft- und Schenkungsteuer zu reformieren –- mit dem Ziel einer gleichmäßigeren Besteuerung aller Vermögensarten. Allerdings lehnt die Wirtschaftsweise Veronika Grimm eine Reform ab.
Aktuell werden bei Erbschaft und Schenkung vor allem Betriebsvermögen steuerlich stark begünstigt. Damit will der Staat vermeiden, dass Betriebe aufgegeben müssen, weil die neuen Besitzer die Erbschaftsteuer aus dem Privatvermögen nicht zahlen können. Der Wirtschaftsweise Achim Truger kritisierte, durch die sogenannte Verschonungsregelung würden aber ausgerechnet sehr hohe Erbschaften und Schenkungen häufig vergleichsweise gering besteuert.
Die Sachverständigen raten deshalb dazu, diese Sonderregeln einzuschränken und die Erbschaftsteuer stärker am Prinzip der Leistungsfähigkeit auszurichten. Für Betriebsvermögen unter 26 Millionen Euro solle der Verschonungsabschlag erheblich reduziert, für Betriebsvermögen über 26 Millionen Euro die sogenannte Verschonungsbedarfsprüfung ganz abgeschafft oder zumindest erheblich eingeschränkt werden. Stattdessen sollten großzügige Stundungsmöglichkeiten eingeführt werden, damit Betriebe nicht in Schwierigkeiten kämen.
Grimm schrieb in einem Minderheitsvotum, in der aktuellen Lage dürftiger privater Investitionsneigung eine höhere Besteuerung von Erbschaften von Betriebsvermögen zu diskutieren, erscheine „fahrlässig“.
Statt Erbschaftsteuer-Privilegien schlagen die Wirtschaftsweisen einen Lebensfreibetrag für alle erhaltenen Vermögensübertragungen vor. Dies würde bewirken, dass die Steuerlast ausschließlich von der Höhe des übertragenen Vermögens abhängt und nicht mehr vom Zeitpunkt der Übertragung. Auch diese Idee wird politisch bereits diskutiert. Ein noch für dieses Jahr erwartetes Urteil des Bundesverfassungsgerichts könnte die Bundesregierung zu einer schnellen Reform der Erbschaftsteuer zwingen.
■ Spürbarer Aufschwung noch nicht in Sicht
Die „Wirtschaftsweisen“ erwarten auch im kommenden Jahr keinen spürbaren Aufschwung in Deutschland. Der Sachverständigenrat korrigierte seine Erwartungen für 2026 leicht herunter und rechnet nun mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 0,9 Prozent. Im Frühjahr hatten die Ökonomen für 2026 ein Plus von 1,0 Prozent erwartet. Die Bundesregierung rechnet im kommenden Jahr mit einem Wachstum von 1,3 Prozent.
„Die Chancen, die sich aus dem Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität ergeben, dürfen nicht verspielt werden“, sagte Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrates. Bundestag und Bundesrat hatten ein schuldenfinanziertes Sondervermögen für zusätzliche Investitionen in Höhe von 500 Milliarden Euro zur Modernisierung der Infrastruktur und für Klimaschutz beschlossen. Allerdings erwarten die Wirtschaftsweisen, dass die aktuell geplanten Ausgaben des Sondervermögens nur eine geringe Wirkung auf das Bruttoinlandsprodukt haben werden. Das Sondervermögen solle nicht herangezogen werden, um im Kernhaushalt Spielraum zur Finanzierung „fragwürdiger Maßnahmen“ wie der Ausweitung der Mütterrente oder der Anhebung der Pendlerpauschale zu schaffen. Stattdessen sollte der Bundeshaushalt nachhaltig stabilisiert werden. DPA