Börsengang von Siemens Healthineers im Jahr 2018: Konzernchef Bernd Montag läutet die Glocke. © Fabian Sommer, dpa
Siemens-Chef Roland Busch präsentierte gestern in München eine Rekordbilanz: Mit 10,4 Milliarden Euro war der Gewinn erstmals zweistellig. © Matthias Balk, dpa
München – Ungeachtet der deutschen Konjunkturschwäche und geopolitischer Spannungen setzt Siemens seinen Erfolgskurs fort: Im Geschäftsjahr 2025 (Oktober 2024 bis Ende September 2025) hat der Münchner Dax-Konzern einen Gewinn in Höhe von 10,4 Milliarden Euro erzielt – nach 9,0 Milliarden Euro 2014. Auch der Umsatz legte zu (siehe Grafik).
■ Größter Gewinn in der Geschichte
„Es war ein weiteres Rekordjahr für Siemens“, sagte Konzernchef Roland Busch bei der Präsentation der Bilanz gestern in München. Dass der Gewinn erstmals die 10-Milliarden-Grenze knackte, ist auch einem Sondereffekt geschuldet: Der Verkauf des Nürnberger Elektromotorenbauers Innomotics spülte Geld in die Kasse, das jüngste Kapitel einer ganzen Reihe von Ausgliederungen. Busch sagte: „Siemens ist heute stärker denn je.“
Aber wie kommt Busch zu dieser Einschätzung? Ein Blick in die jüngere Geschichte hilft weiter: Bis 2021 führte Joe Kaeser die Geschäfte am Wittelsbacher Platz, bereits unter seiner Regie wurden ganze Sparten abgespalten oder verkauft.
Die zwei prominentesten Beispiele: die Abspaltung der Energietechnik im Jahr 2020, heute der eigenständige Dax-Konzern Siemens Energy, und die Ausgliederung der Medizintechniksparte im Jahr 2018, die als Siemens Healthineers an der Börse startete. Damit hatte der Konzern aus dem fränkischen Erlangen die nötige Kraft, den US-Krebstherapie-Spezialisten Varian zu kaufen, Healthineers vergrößerte sich. „Seit dem Börsengang ist das Unternehmen von einem Umsatz von 13 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2018 auf über 23 Milliarden Euro im Geschäftsjahr gewachsen“, sagte Busch.
■ Siemens trennt sich von Healthineers-Anteilen
Zwischen der Energy- und der Healthineers-Abspaltung gab es aber einen entscheidenden Unterschied: Während Siemens seinen Energy-Anteil schnell reduzierte, blieben rund zwei Drittel der Healthineers-Aktien weiterhin bei Siemens. Jetzt endet diese Ära.
Wie Siemens am Mittwochabend mitteilte, soll ein 30-Prozent-Anteil von Healthineers abgespalten werden (wir berichteten) . Healthineers wäre damit aus Sicht der Münchner kein Tochter-Unternehmen mehr, sondern eine Finanzbeteiligung. Die Healthineers-Aktien, die Siemens loswerden will, sollen direkt an die Aktionäre gehen – sie werden Siemens-Aktionären ins Depot gebucht.
Busch begründete die Abspaltung von Healthineers gestern damit, dass es zwischen der Siemens AG und Healthineers kaum noch Synergien gebe. „Siemens Healthineers bedient Märkte, die sich zunehmend von den Kernmärkten für Siemens unterscheiden.“
Was sind dann noch die Kernmärkte von Siemens? Die eine Sparte heißt Smart Infrastructure, hier verkauft Siemens beispielsweise intelligente Gebäudetechnik und High-Tech-Schaltschränke. Dann gibt es noch die Sparte Digital Industries, die unter anderem Fabriken weltweit automatisiert.
■ Industrielle KI soll mehr Wachstum bringen
Das Zauberwort in beiden Sparten lautet: Industrielle KI. Die KI soll gigantische Datenmengen von Maschinenparks analysieren, Industrieroboter sollen selbstständig lernen, Stromnetze sollen intelligent werden und weniger Energie verschlingen. Keine abgehobenen KI-Fantasien, sondern handfestes Industriegeschäft. Das Ziel: mehr Produktivität und mehr Effizienz für Siemens-Kunden.
Und Siemens Mobility? Wie passt die Herstellung von ICE, Regionalzügen und Trambahnen zum Digital-Kurs? Seit Werner von Siemens im Jahr 1879 in Berlin die erste elektrische Lokomotive der Welt präsentierte, ist das Eisenbahngeschäft Teil des Unternehmens. Zwar strebte Buschs Vorgänger Joe Kaeser 2017 eine Fusion mit dem französischen Konkurrenten Alstom an – Kaeser scheiterte jedoch am Widerstand der EU. Sein Nachfolger Busch hat seitdem keinen neuen Versuch gewagt, Mobility auszugliedern. Busch machte aus der Not eine Tugend: Er nutzte das Hightech-Geschäft von Siemens, um sowohl die Zugproduktion als auch den Schienenverkehr zu digitalisieren. Mobility sei inzwischen „Technologieführer“, sagte Busch gestern.
Jetzt soll alles noch enger verzahnt werden: „One Tech Company“ heißt die neue Strategie für den Gesamtkonzern. Busch nannte ein Beispiel: „Wir haben 30 000 Software-Ingenieure, die etwa 900 verschiedene Versionen von Software-Entwicklungswerkzeugen verwenden“, sagte er. In Zukunft sollen sie mit „wenigen Dutzend“ Standard-Tools auskommen.
Ein erneuter 10-Milliarden-Gewinn ist im kommenden Jahr dennoch nicht zu erwarten: Da aktuell keine große Ausgliederung läuft und damit kein Sondereffekt zu erwarten ist, dürfte der Überschuss 2026 etwas geringer ausfallen als in diesem Jahr.