Gerade in der Textilindustrie sind die Arbeitsbedingungen im Ausland oft schlecht. © Tim Brakemeier
Brüssel – Die EVP-Europaparlamentsfraktion um CDU und CSU hat mit der Unterstützung rechter und rechtsextremer Parteien den Weg für eine Abschwächung des Lieferkettengesetzes freigemacht. Unter anderem sollen die Vorgaben künftig nur noch für wenige sehr große Unternehmen gelten. 382 der Abgeordneten stimmten für das Vorhaben, 249 dagegen, 13 enthielten sich. Nun folgen Verhandlungen mit den EU-Staaten.
Künftig sollen deutlich weniger Unternehmen unter das Gesetz fallen. Die Abgeordneten wollen die Schwelle auf Firmen mit mindestens 5000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro anheben, von bislang 1000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 450 Millionen Euro. Die Firmen sollen ihre Lieferketten zudem nicht mehr grundsätzlich überprüfen müssen. Sie müssten dem Parlamentsentwurf zufolge nur noch Informationen liefern, wenn ihrer eigenen Ansicht nach ein besonderes Risiko für Verstöße besteht. Außerdem soll eine EU-weite Haftung für Verstöße gegen das Gesetz gestrichen werden. Damit hingen etwa Entschädigungen für Opfer von Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung von den Gerichten in den unterschiedlichen EU-Staaten ab. Auch eine Pflicht zur Ausarbeitung von Klimaplänen ist nicht mehr vorgesehen.
Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen zeigten sich entsetzt. Die Entscheidung sei ein „Desaster für die Menschenrechte und die EU“, so der Menschenrechtsexperte Armin Paasch vom katholischen Hilfswerk Misereor. „Faktisch wurde verdorben, was den Menschenrechten und dem Umweltschutz weltweit genutzt hätte“, sagte die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp. Wirtschaftsverbände begrüßten die Entscheidung dagegen. „Unternehmen können nur für Risiken haften, auf die sie tatsächlich Einfluss haben“, sagte Hildegard Müller vom Autoverband VDA. Deshalb sei es richtig, dass die früher geplante zivilrechtliche Haftung für Unternehmen bei Verstößen gegen das Gesetz nun nicht weiterverfolgt würde.
Die Änderungen gehen nun in die Verhandlungen mit dem Rat der 27 EU-Staaten. Ziel ist es nach Parlamentsangaben weiter, die Gesetzesänderungen bis Jahresende zu beschließen – darauf drängt unter anderem Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Die Bundesregierung muss die deutschen Gesetze an die europäischen Vorgaben anpassen, nachdem die Änderungen beschlossen sind. In Deutschland gibt es bereits ein Lieferkettengesetz, die Bundesregierung will es jedoch abschaffen und hat bereits ein Abschwächen der Regeln auf den Weg gebracht.
Im EU-Parlament hatte es im Oktober schon eine Abstimmung über das Lieferkettengesetz gegeben. Laut „Bild“ fiel das Vorhaben damals auch deshalb durch, weil nicht alle SPD-Abgeordneten für den unter Konservativen, Liberalen und Sozialdemokraten ausgehandelten Kompromiss gestimmt hatten. Die Links-Mitte-Fraktionen warfen der EVP vor, eine Zusammenarbeit mit den Rechtsfraktionen angedroht und sie damit erpresst zu haben. Deshalb wurde nun die zweite Abstimmung nötig, in der die EVP mit den Rechtsextremen stimmte.