INTERVIEW

„Bargeld bleibt für uns wichtig“

von Redaktion

Der neue Chef der Stadtsparkasse München über die Zukunft des Instituts

Bernd Hochberger ist seit Mai Chef der Stadtsparkasse München. Seit 2012 ist der bereits Mitglied im Vorstand des Instituts. © Marcus Schlaf

München – Mit einer Bilanzsumme von 23 Milliarden Euro im Jahr 2024 ist die Stadtsparkasse München die mit Abstand größte Sparkasse in Bayern und nach der Sparkasse Köln-Bonn die viertgrößte in Deutschland. Seit dem Frühjahr hat das Münchner Institut einen neuen Chef: Bernd Hochberger. Er löste Ralf Fleischer ab, der in den Ruhestand ging. Hochberger ist seit über 20 Jahren für die Stadtsparkasse tätig und seit 2012 Mitglied im Vorstand. Jetzt will er die Marktführerschaft des Instituts ausbauen – etwa jeder zweite Münchner hat ein Konto bei der Stadtsparkasse.

Sie sind seit Mai Chef der größten Sparkasse in Bayern. Wie ist es Ihnen ergangen?

Da ich seit vielen Jahren Mitglied im Vorstand bin und die Stadtsparkasse bestens kenne, gab es keine Überraschungen. Neu ist für mich die hohe Termindichte. Ich hoffe, dass sich das im nächsten Jahr normalisiert. Aber mein Vorgänger hat mir da jegliche Illusion genommen.

Ihr Vorgänger Ralf Fleischer stand elf Jahre an der Spitze der Stadtsparkasse. Mischt er sich manchmal noch ein?

Es ist eher umgekehrt: Ich versuche gelegentlich, ihn telefonisch zu erreichen. Als er noch Chef der Stadtsparkasse war, war er immer sofort am Apparat. Seit er aber im Ruhestand ist, ist das schwierig geworden – jetzt muss ich ihm auf den Anrufbeantworter sprechen (lacht).

Was sind aktuell Ihre großen Baustellen?

Ein großes Thema ist für uns die Künstliche Intelligenz.

Kommunizieren Ihre Kunden bald nur noch mit der KI? Die HypoVereinsbank will beispielsweise im Privatkundenbereich das Telefon-Banking abschaffen.

Bei uns ist das anders. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eines Tages niemand mehr mit uns telefonisch Kontakt aufnehmen kann. Wir haben einen öffentlichen Auftrag und wollen niemanden ausgrenzen – das gilt für junge wie für alte Menschen.

Das heißt, es ist auch ein Ende der Filialschließungen in Sicht?

Die Neuordnung unseres Filialnetzes, die wir im Jahr 2022 gestartet haben, ist im Großen und Ganzen abgeschlossen. Daran wird sich erst einmal auch nichts ändern. Wir betreiben jetzt 41 Filialen im Stadtgebiet, daran sieht man, wie wichtig uns der Kontakt mit den Menschen weiterhin ist.

Die Oberbank hat in ihren Filialen den Bargeldservice eingestellt, einschließlich der Geldautomaten und Kassenschalter. Haben Sie ähnliche Pläne?

Nein. Wir betreiben rund 130 Geldautomaten – und ersetzen die alten Geräte seit dem Sommer durch Automaten der neuesten Generation. Das ist eine riesige Investition. So ein Automat ist mit einem fünfstelligen Betrag nicht gerade billig. Die Bargeldversorgung ist und bleibt uns wichtig.

Warum spielt dann ausgerechnet das Thema Künstliche Intelligenz eine so große Rolle bei Ihnen, wenn für die Kunden offenbar alles beim Alten bleibt?

KI-Anwendungen helfen uns ungemein im Hintergrund. Davon bekommen die Kunden gar nichts mit.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Wir haben vor Kurzem eine Anwendung eingeführt, mit der unsere Beraterinnen und Berater Kundengespräche mithilfe von KI vorbereiten können. Früher mussten sie sämtliche Informationen über die Finanzlage eines Kunden mühsam aus Konto, Depot und so weiter zusammensuchen, jetzt erledigt das die KI mit wenigen Prompts. Das spart unseren Mitarbeitern etwa eine Stunde Vorbereitungszeit.

Wird die KI schon bald darüber entscheiden, ob Frau Müller einen Kredit bekommt und Herr Meier sechs statt fünf Prozent Zinsen zahlen muss, weil die KI bei ihm ein hohes Ausfallrisiko sieht?

Nein – das wird nicht passieren. Das darf die Maschine auch gar nicht entscheiden, am Ende muss da immer ein Mensch drüber schauen. KI hilft uns lediglich bei der Vorbereitung im Hintergrund.

Wenn die Mitarbeiter in Zukunft weniger Zeit für ihre Arbeit benötigen, könnten Sie auch auf die Idee kommen, Stellen zu streichen.

Der Treiber ist ein anderer: Wir brauchen diese Effizienzgewinne durch KI, um die Folgen des demografischen Wandels abfangen zu können. In den kommenden zehn Jahren verlassen uns rund 30 Prozent unserer Kolleginnen und Kollegen altersbedingt. Die ganze Generation der Babyboomer geht in den Ruhestand. Diese Menschen durch junge Nachwuchskräfte zu ersetzen, ist gar nicht möglich, da es so viele junge Menschen gar nicht gibt.

Heißt das, wir werden in Ihrer Amtszeit keinen Stellenabbau aus Kostengründen sehen, und trotzdem wird sich die Zahl der Mitarbeiter dramatisch verringern?

Ja. Die Zahl der Mitarbeiter wird definitiv kleiner werden. Wie viele es am Ende sein werden, lässt sich aber nicht beziffern. Niemand muss sich aber Sorgen um seinen Arbeitsplatz machen. Wie gesagt, wir reagieren hier nur auf die demografische Entwicklung.

Kosten dürften Sie dadurch trotzdem sparen. Wenn wir einmal annehmen, dass gleichzeitig die Zinsen und damit auch Ihre Erträge stabil bleiben, stehen der Stadtsparkasse doch goldene Zeiten bevor?

Nein, definitiv nicht. Der Wegfall von Personal wird praktisch komplett durch Tarifsteigerungen kompensiert – unterm Strich sparen wir da gar nichts. Gleichzeitig sehen wir uns mit höheren Ausgaben konfrontiert, etwa im Bereich der IT-Sicherheit. Und mit den Gewinnen, die wir mit unserem Geschäft erzielen, versuchen wir unser Eigenkapital zu stärken.

Bei Ihrem Eigentümer, der Stadt München, sind gleichzeitig die Kassen klamm. Macht die Stadt Druck, dass Sie ihr eine üppige Dividende ausschütten?

Nein. Wir sind eine der wenigen Sparkassen in Bayern, die eine Dividende an ihren Träger ausschüttet.

Das waren in der Vergangenheit zwischen acht und neun Millionen Euro im Jahr – ein vergleichsweise kleiner Posten im Haushalt. Aber Kleinvieh macht auch Mist.

Wir brauchen als Kreditinstitut ein ausgewogenes Verhältnis von Ausschüttungen auf der einen Seite und starkes Eigenkapital auf der anderen Seite. Die Stadt München profitiert von den Steuern, die wir zahlen, sowie von Spenden und vom Sponsoring. Manche soziale Projekte gäbe es nicht, wenn es die Stadtsparkasse nicht gäbe.

Sehen Sie mögliche Olympische Spiele in München als eine Chance für die Weiterentwicklung der Stadt?

Definitiv. Ich finde es großartig, dass sich im Entscheid so viele Münchner für eine Bewerbung ausgesprochen haben.

Haben Sie damit gerechnet?

Ehrlich gesagt, nein. Aber für München wären Olympische Spiele eine riesige Chance. Das belebt die Wirtschaft, das belebt den Wohnungsmarkt. Als Münchner Finanzinstitut sind wir sehr gerne bereit, mitzuhelfen, die Spiele nach München zu holen.

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