München – Die Unternehmer in Bayern hatten in Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) offenbar große Hoffnung gesetzt, gut ein halbes Jahr nach Amtsantritt der neuen Regierung herrscht allerdings Resignation: „Ich war ein glühender Verfechter der Person Merz, aber ich bin enttäuscht“, sagte der Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), Wolfram Hatz, gestern in München. Er habe von Merz mehr erwartet, habe ihm auch ein besseres Verständnis von Wirtschaft unterstellt, sagte er.
„Die Bundesregierung muss liefern, sie muss ihre Ankündigungen umsetzen“, forderte der vbw-Präsident. Das habe auch insbesondere die SPD noch nicht verstanden. „Die Wirtschaft hat große Erwartungen an die Reform des Bürgergelds“, sagte Hatz. Sie biete eine echte Chance, wieder mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Deshalb sei es ihm unbegreiflich, dass die SPD jetzt eine Mitgliederumfrage dazu mache. „Ich frage mich ernsthaft, wozu man einen Koalitionsvertrag braucht, über den die SPD-Mitglieder übrigens auch abgestimmt haben, wenn man dann nicht die Courage hat, die richtigen Dinge umzusetzen.“
Hatz geht aber nicht davon aus, dass die Koalition aus CDU, CSU und SPD zerbricht. Denn sonst drohe ein Erfolg der AfD – und sowohl er persönlich als auch die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft lehne die AfD strikt ab. An die Regierung in Berlin richtete er daher warnende Worte: „Das ist der letzte politische Schuss, bevor es ganz fürchterlich wird.“
Dass sich Hatz über den Kanzler und dessen Bundesregierung ärgert, liegt schlicht daran, dass sich die konjunkturelle Lage in Deutschland und im Freistaat kaum bessert und auch die Aussichten alles andere als gut sind.
Hatz verwies auf die gestern veröffentlichten Zahlen des „Weißbierindex“, den die vbw zweimal im Jahr veröffentlicht. Demnach ist der Index im Herbst gegenüber dem Frühjahr 2025 zwar leicht von 78 Punkten auf 86 Punkten gestiegen, ein Indexwert von weniger als 100 Punkten zeigt aber an, dass die Stimmung in den bayerischen Unternehmen eingetrübt bleibt – erst ein Wert von über 100 signalisiert eine Besserung der Konjunktur. Damit ist das Weißbierglas nicht einmal halb voll. Hatz formulierte es so: „Der vbw-Index ist nicht wirklich besser als im Frühjahr, er ist nur weniger schlecht.“ Im Herbst 2021 lag der Index noch bei 130 Punkten.
„Ein Aufschwung wird vor allem durch die strukturellen Probleme am Standort Deutschland verhindert“, kritisierte Hatz – zu hohe Energiekosten, zu hohe Steuern, zu viel Bürokratie. Der vbw-Präsident betonte aber auch, dass eine echte Aufwärtsbewegung auch vom „außenwirtschaftlichen Umfeld“ verhindert werde. „Die zahlreichen geopolitischen Krisen sorgen für Unsicherheit, die Handelskonflikte belasten unsere Exporte.“ Anders formuliert: Die Merz-Regierung ist an vielem, aber längst nicht an allem schuld.SH