Berlin – Kohlendioxid abscheiden und speichern oder nutzen – für die einen ist es ein zentraler Baustein zur Verringerung des Treibhausgasausstoßes, für die anderen vor allem ein Trick, um weiter fossile Brennstoffe nutzen zu können. Nun wurde ein Gesetz beschlossen, dass neben dem Einsatz sogenannter CCS-Technologie auch den Aufbau eines CO2-Pipelinenetzes in Deutschland vorsieht.
Was steckt hinter dem Begriff CCS?
CCS steht für Carbon Capture and Storage: Kohlendioxid (CO2) wird nicht in die Atmosphäre ausgestoßen, sondern abgeschieden und dann dauerhaft in tiefliegenden geologischen Gesteinsschichten eingespeichert. Daneben gibt es noch die CCU-Technologie (Carbon Capture and Utilization), bei der das CO2 nach der Abscheidung genutzt wird, etwa für Baustoffe.
Wie kann CCS eingesetzt werden?
Die meisten Klimaexperten sind sich einig, dass es nicht gelingen wird, die Nutzung fossiler Brennstoffe in allen Bereichen schnell genug zu beenden, um die Klimaziele einzuhalten. Dies sieht auch der Weltklimarat IPCC so. Genannt werden hier vor allem bestimmte Industrieprozesse wie die Zement- oder Kalkherstellung, bei denen natürlicherweise CO2 entsteht, oder Produktionsverfahren, bei denen vorläufig nur schwer vollständig auf fossile Brennstoffe verzichtet werden kann. Der Klimaschutz wird auch zunehmend betriebswirtschaftlich relevant: Weil in Europa ein steigender Preis für den Ausstoß von CO2 bezahlt werden muss, sind Konzepte ohne Klimaschutz ein Kostenrisiko.
Was will die Bundesregierung unternehmen?
Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll die CO2-Lagerung unter dem Meeresboden ermöglicht werden, wohl in erster Linie unter der Nordsee. CO2-Speicher auf dem Festland sind zunächst nicht vorgesehen, die Bundesländer sollen aber eigene Regelungen für die Speicherung an Land erlassen können. Ein zentraler Punkt sind in dem Gesetz zudem die Transportwege. Dafür soll ein Pipeline-Netz aufgebaut werden. Nach dem grünen Licht des Bundestags muss nun der Bundesrat noch zustimmen.
Wogegen richtet sich die Kritik?
Klimaschützer befürchten, dass Staaten oder Unternehmen den Abschied von fossilen Energieträgern unter Hinweis auf die Option CCS auf die lange Bank schieben könnten. Befürchtet wird außerdem, dass aus den Lagerstätten Treibhausgase nach und nach entweichen könnten. Auch vor geologischen Verwerfungen und anderen Risiken wird gewarnt, zudem vor Nachteilen für die Meeresökologie. Zudem ist die CCS-Technologie selbst energieaufwendig, beim Einsatz in Kraftwerken dürfte deren Wirkungsgrad drastisch sinken. Das führt zu hohen Kosten. Kritiker betonen, dass die CO2-Abscheidung sich insbesondere an Gaskraftwerken schwerlich lohne, weil die CO2-Konzentration im Rauch zu gering und die Laufzeiten zu kurz sind. Rentabler sei sie an Kohlekraft- und Zementwerken. Außerdem gelingt die CO2-Abscheidung nie vollständig.
Welche Erfahrungen gibt es mit CCS?
In Deutschland gab es ein Pilotprojekt in Ketzin westlich von Berlin, das aber wieder aufgegeben wurde. Dort wurden zwischen 2008 und 2013 mehrere tausend Tonnen CO2 in unterirdischem Salzwassergestein 630 bis 650 Meter unter der Erde eingelagert. Die Speicherung unter dem Meeresboden wird derzeit vor allem von Norwegen vorangetrieben und ist dort ein wichtiger Baustein der nationalen Strategie für das Erreichen von Treibhausgasneutralität. Wichtige Akteure stammen aus der Öl- und Gasindustrie, etwa der britische Gigant Shell. Geplant sind Einlagerungen in Tiefen von 1000 bis 4000 Metern.
Wie ist die rechtliche Lage in Deutschland?
CCS, CCU und der Transport von CO2 per Pipeline sind bislang noch verboten. Das will Schwarz-Rot ändern, auch die Vorgängerregierung hatte bereits Pläne zur CO2-Speicherung vorgelegt, deren Umsetzung jedoch am Ampel-Aus scheiterte. Für Kohlekraftwerke soll die Technologie nicht zulässig sein, um den Kohleausstieg nicht in Frage zu stellen.
AFP/MAS