Burgwedel/Wuppertal – Der Verband der Familienunternehmen hatte im Oktober in Berlin zu einem Parlamentarischen Abend eingeladen. Zu den Gästen zählten auch Vertreter der AfD. Präsidentin Marie-Christine Ostermann sagte damals dem „Handelsblatt“, das „Kontaktverbot“ zu AfD-Bundestagsabgeordneten sei aufgehoben worden.
Für den Verband hat das jetzt Konsequenzen: Zwei prominente Mitglieder verlassen den Verband. Das ist zum einen die Drogeriemarkt-Kette Rossmann, gegründet 1972 von Dirk Roßmann. Bereits am Dienstag hatte die „Lebensmittelzeitung“ berichtet, dass Rossmann den Verband verlässt. Gestern erklärte eine Sprecherin gegenüber unserer Zeitung: „Wir unterstützen die Haltung des Verbands ,Die Familienunternehmer‘ nicht und haben die Mitgliedschaft gekündigt.“
Der zweite prominente Austritt: der Hausgeräte-Hersteller Vorwerk. Das Unternehmen kündigte gestern an, die bereits seit längerer Zeit ruhende Verbandsmitgliedschaft nun auch formal zu kündigen. „Vorwerk distanziert sich von den Aussagen des Verbands ,Die Familienunternehmer‘ zum Umgang mit der AfD“, teilte Vorwerk mit. „Für uns ist klar: Die AfD steht in ihrem Auftreten und Teilen ihres politischen Handelns in wesentlichen Punkten nicht im Einklang mit demokratischen Grundwerten und rechtsstaatlichen Prinzipien.“
Die Melitta-Gruppe hält sich nach eigenen Angaben offen, ihre Mitgliedschaft zu überdenken. Über die veränderte Position der Verbandsführung sei man „sehr überrascht“, teilte der Kaffeeröster mit. Der Dialog mit der Politik werde zwar befürwortet, nicht jedoch mit Parteien, die auch nur in Teilen als extremistisch eingestuft würden. „Wir haben unsere Haltung dem Verband mitgeteilt“, erklärte Melitta. Die Oetker Collection KG, die dem Verband ebenfalls angehört, wollte sich auf Nachfrage „zu politischen Themen nicht äußern“. Zu dem kleineren Unternehmensteil der Oetker-Familie zählt unter anderem der Sekt-Hersteller Henkell Freixenet.
Ob es im Zuge der AfD-Debatte zu weiteren Austritten aus dem Verband gekommen ist, blieb gestern unklar. „Das kommentieren wir nicht“, sagte ein Verbandssprecher. Eine ähnliche Position wie die Familienunternehmer vertreten bislang lediglich kleine Branchenverbände. Laut „Bild“ zählen dazu etwa der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks sowie die Familienbetriebe Land und Forst.
Die Debatte um einen offeneren Umgang mit der AfD hatte diese Woche an Fahrt aufgenommen, nachdem der Verband der Familienunternehmer am Montag seinen neuen Kurs bekräftigt hatte. Verbands-Präsidentin Marie-Christine Ostermann erklärte: „Empörung allein hat sich als politische Strategie erschöpft.“ Die Hoffnung, man könne ein Viertel der bundesdeutschen Wähler durch moralische Ausgrenzung zur Umkehr bewegen, sei nicht aufgegangen. „Jetzt hilft nur noch die Auseinandersetzung mit den Inhalten der AfD, jenseits von schlichten Kategorisierungen in ‚gut‘ und ‚böse‘.“
Scharfe Kritik an dieser Position kam gestern von den Gewerkschaften. „Es ist ein fatales Signal, das man da in die Gesellschaft gibt“, sagte Bernhard Stiedl, Vorsitzender des DGB Bayern, gegenüber unserer Zeitung. Die AfD könne kein Gesprächspartner sein, da sei er mit der Mehrheit der Arbeitgeber ausnahmsweise einer Meinung. Die AfD würde mit ihrer Politik Deutschland in ein „wirtschaftliches Chaos“ stürzen, sagte Stiedl. „Was will man da mit der AfD reden? Was gibt es denn da an Gemeinsamkeiten?“, fragte er. Ausdrücklich lobte Bayerns DGB-Chef den Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), Bertram Brossardt, der sich am Dienstag scharf von der AfD abgegrenzt hatte.MIT MATERIAL VON DPA