Wie Rettungsschwimmer den Sommer erleben

Einsätze mit Happy End

von Redaktion

Von Elena Koene

Pöcking – Als Ulla von der Gönna bemerkte, dass es brenzlig wird, war sie bereits weit vom Ufer des Starnberger Sees entfernt. „Als klar war, es ist zu windig und ich schaffe es mit meinem Surfbrett nicht mehr zurück, habe ich das Segel eingeholt und bin an das gegenüberliegende Ufer geschwommen.“ Rückblickend ist die Surferin heilfroh um ihre gute Fitness: „Sonst wäre es wirklich knapp geworden.“

Selbstüberschätzung und Unterschätzung der Umstände im Wasser sind die häufigsten Ursachen von Badeunfällen. „Die Menschen glauben, sie könnten gut genug schwimmen, der malerische See habe keine Tücken, und nicht selten gehen auch Nichtschwimmer ins Wasser, weil sie denken, sie können ja noch stehen“, sagt Walter Kohlenz, Vorsitzender der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft Pöcking-Starnberg.

Während Kohlenz erzählt von den Übermütigen und den Leichtsinnigen, aber auch von den tragischen Fällen, die er in seiner Dienstzeit schon erlebt hat, sitzt er auf dem Balkon der DLRG-Rettungsstation im Pöckinger Ortsteil Possenhofen und hat fast alles im Blick: den malerischen Starnberger See und die Alpen in der Ferne. Aber auch die Stand-up-Paddler, die Schwimmer, die Surfer und die Ruderer. „Das kann man nie abschalten, dass man ständig schaut, ob einer in Not gerät oder untergegangen ist“, sagt Kohlenz.

Von der Gönna pflichtet ihm bei. Auch sie sitzt auf dem Balkon des Holzhauses in der Sonne, erinnert sich an ihren Beinahe-Notfall vor 32 Jahren. Neben ihr: ein Mann, den alle nur Ecki nennen. Der Mann, der sie damals gerettet hat und den sie vor 25 Jahren heiratete. Aus dem Rettungseinsatz wurde Liebe.

„Von Mai bis Oktober sind wir an den Wochenenden und Feiertagen hier an der Rettungsstation im Präsenzdienst, ansonsten ganzjährig und rund um die Uhr über einen Piepser alarmierbar“, sagt Kohlenz. Zu seinem Team gehören 300 Mitglieder, 40 davon sind aktive ehrenamtliche Rettungsschwimmer. Um den Starnberger See kümmert sich Kohlenz’ Team gemeinsam mit der Wasserwacht sowie zwei weiteren DLRG-Stationen, die um den See verteilt sind. Rund 300 Einsätze hat allein die DLRG Pöcking-Starnberg im Schnitt pro Jahr. „Da sind aber auch viele medizinische Fälle von der Schnittwunde bis zum schweren Grillunfall dabei“, sagt Kohlenz. „Tödliche Badeunfälle haben wir eher selten. Die passieren leider eher an unbewachten Gewässern.“

Laut Starnberger Wasserschutzpolizei sind im Starnberger See in diesem Jahr zwei Menschen bei Badeunfällen gestorben; in ganz Bayern waren es über 70. Vor allem in den heißen Sommertagen gab es heuer besonders viele Tote – alleine in den vergangenen vier Wochen waren es 26. Auch die Zahl vom Vorjahr ist bereits deutlich überschritten: 2017 sind bis Ende August 62 Menschen ertrunken.

Auch wenn für Kohlenz’ Team die Einsätze mit tödlichem Ausgang eher die Seltenheit sind, werden sie anschließend ausführlich besprochen. So wie nach zwei tragischen Fällen beim Münchner Ruder-Club (MRC), der sein Bootshaus in Starnberg hat. 2015 ertrank ein 13-Jähriger bei einem Schulsportausflug mit dem MRC. Ein Jahr später mussten vier erwachsene Ruderer ins Wasser, weil Wellen in ihr Boot schlugen. Das Wasser hatte nur acht Grad, sie trugen keine Neoprenanzüge – hatten aber zum Glück ein Handy, sodass sie Hilfe rufen konnten.

Dieser Einsatz damals ging gut aus. Und seitdem ist zwischen DLRG und MRC eine Freundschaft entstanden. Beide Vereine durften sich sprichwörtlich zum anderen ins Boot setzen und lernen, was beispielsweise ein vorbeirauschendes Motorboot, zusätzlicher Ballast oder eine Weste für einen Ruderer bedeuten.

Seit damals gibt es regelmäßige Grillabende und sogar eine Schiffspatenschaft. Und die DLRG führt seitdem auch mit anderen Vereinen am See gemeinsame Trainings durch.

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