München – Auf große Hoffnung könnte große Ernüchterung folgen: Vor dem zweiten Treffen des Runden Tischs zum Erhalt der Artenvielfalt in einer Woche wird der Ton hinter den Kulissen immer rauher. Die Mission von Alois Glück, der am Runden Tisch zwischen den Teilnehmern vermittelt, droht zu scheitern, bevor sie richtig begonnen hat.
„Inhaltlich ist seit dem ersten Treffen nicht viel passiert“, sagt die ÖDP-Politikerin Agnes Becker. Alle Anwesenden waren sich schon Ende Februar einig, dass der bayerische Pflanzen- und Artenschutz mehr Anstrengungen benötigt. Wie die genau aussehen sollen, sehen Befürworter und Kritiker des Volksbegehrens aber völlig unterschiedlich.
„Artenschutz funktioniert nur im Miteinander. Die Ziele des Volksbegehrens, beispielsweise Ausweitung der Ökolandwirtschaft von zehn auf 30 Prozent, können nicht einseitig zu Lasten der Landwirtschaft und zum Nulltarif erreicht werden“, kritisiert Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) die Ausgestaltung des Volksbegehrens.
Es scheint, dass die Staatsregierung einige Forderungen des Volksbegehrens nicht übernehmen will. Ein Streitpunkt sind die geforderten einheitlichen Termine beim Mähen und Walzen von Wiesen. Auch der Umgang mit Streuobstwiesen ist strittig. „Die Bürger haben für einen besseren Artenschutz abgestimmt, aber sicher nicht für einen genauen Mähzeitpunkt“, sagt Umweltminister Thorsten Glauber (FW). In der jetzigen Form sei das Volksbegehren „nicht praxistauglich“.
Auf Aussagen wie die von Glauber und Aiwanger reagieren die Initiatoren des Volksbegehrens empfindlich: „Unser Gesetzentwurf steht! Wir können und wollen am Volksbegehren nichts ändern“, stellt Becker klar. Auch Ludwig Hartmann, Fraktionschef der Grünen, will nur so lange am Tisch sitzen bleiben, wie es dort in die richtige Richtung geht. „Ich habe kein Problem damit, einfach aufzustehen!“
Zwar lassen die Initiatoren durchklingen, dass man bereit sei, beim Mäh-Zeitpunkt Zugeständnisse zu machen – etwa über flexiblere Ausführungsbestimmungen. Aber am Gesetzentwurf an sich wolle man festhalten. „Kompromisse werden wir keine machen“, stellt Becker klar. Stellt sich die Frage, über was am Runden Tisch dann überhaupt verhandelt werden soll. „Es kann nur um mehr Artenschutz gehen“, sagt Hartmann. Er sei sicher kein Gegner einer besseren Idee. Artenschutz betreffe schließlich nicht nur die Landwirtschaft. „Wir sind bereit, ein gesamtgesellschaftliches Konzept zu erarbeiten.“
Hinter einem neuen Artenschutz, der neben den Bauern auch Kommunen und Gärtner stärker in die Pflicht nimmt, steht auch Glauber. Sein Ziel sei ein „Volksbegehren plus“: „Wir können gemeinsam viel mehr erreichen, dafür müssen aber alle Seiten gesprächsbereit sein.“
Die Zeit für eine Annäherung wird knapp: Am Donnerstag will der Landeswahlausschuss das endgültige Ergebnis des Volksbegehrens bekannt geben. Danach bleiben Ministerpräsident Markus Söder (CSU) noch vier Wochen, bis er den Gesetzentwurf dem Landtag übergeben muss.
Dort haben die Abgeordneten verschiedene Möglichkeiten: Entweder sie nehmen den Gesetzentwurf an – was die schwarz-orange Koalition allerdings bereits ausgeschlossen hat. Oder sie lehnen ihn ab. In diesem Fall hat der Landtag zusätzlich die Möglichkeit, einen eigenen Gegenentwurf vorzulegen. In einem Volksentscheid dürfen dann die Wähler im Freistaat über die beiden Vorschläge abstimmen.
Vermittler Glück hofft, das noch verhindern zu können: „Ich will keinen Gegenentwurf. Ich bin zuversichtlich, dass wir am Runden Tisch eine Einigung erzielen können.“ Zweckoptimismus? „Nein“, sagt Glück, „alle Beteiligten zeigen einen großen Willen, miteinander voranzukommen.“ Fraglich ist, ob Wille allein in diesem Fall ausreicht.