Rütteln am Fördertopf

von Redaktion

Einkommensstütze oder Hamsterrad? Experten diskutieren im Landtag über die künftige Ausrichtung der europäischen Agrarpolitik. Ein Wissenschaftler sorgt mit einem radikalen Vorstoß für Aufregung.

München – Wie viel Geld bekommen Bayerns Landwirte nach der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU – und was müssen sie dafür tun? Diese Frage beschäftigte gestern die Abgeordneten im Agrarausschuss des Landtags bei einer Expertenanhörung. Dabei wurde deutlich, dass die Erwartungen an die künftige Förderung auch in der Bauernschaft sehr unterschiedlich sind.

So hält der Bayerische Bauernverband (BBV) die grundsätzliche Struktur mit flächengebundenen Direktzahlungen auf der einen und Geldern aus der zweiten Säule für Umweltmaßnahmen und die Entwicklung des ländlichen Raums auf der anderen Seite weiterhin für notwendig. „Die gemeinsame EU-Agrarpolitik wird seit 40 Jahren totgeschrieben“, sagte Matthias Borst vom BBV. „Aber sie ist vital und wird gebraucht für die ländlichen Räume.“ Allerdings seien Nachbesserungen nötig. Etwa, um den Bürokratieaufwand zu reduzieren und kleinere Betriebe stärker zu unterstützen.

Derzeit machen die Direktzahlungen aus dem EU-Topf bei Bayerns Bauern 37 Prozent des Einkommens aus, wie Josef Weiß von der Landesanstalt für Landwirtschaft erklärte. Besonders abhängig von den Direktzahlungen sind Nebenerwerbslandwirte: Bei ihnen kommen im Schnitt 90 Prozent des Gewinns aus der Förderung.

Angesichts dieser Zahlen sorgte die Aussage von Sebastian Lakner vom Thünen-Institut für Aufregung: Der Wissenschaftler sagte, es fehle an einer Datengrundlage, dass landwirtschaftliche Haushalte ärmer seien als andere Haushalte. Somit gebe es keine Grundlage für einen politisch gewährten Einkommensausgleich, anders als etwa beim Arbeitslosengeld II. Er empfahl, die Direktzahlungen langfristig auslaufen zu lassen und die Agrarförderung an zeitgemäße Ziele wie Maßnahmen für mehr Tierwohl oder gegen den Klimawandel auszurichten. Für seinen Hartz-IV-Vergleich erntete er deutlichen Gegenwind aus den FW- und CSU-Fraktionen. Die Agrarzahlungen seien keine Sozialhilfe, sondern Ausgleich für die höheren Produktionskosten im Vergleich zum Weltmarkt, betonte Martin Schöffel (CSU).

Für einen Systemwechsel plädierten aber auch Vertreter aus der Landwirtschaft. „Wenn wir wirklich etwas bewegen wollen, müssen wir die Grundausrichtung der GAP anpacken und nicht nur das Geld anders verteilen“, sagte Hans Foldenauer vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM). Hubert Heigl von der Landesvereinigung für ökologischen Landbau (LVÖ) fürchtet: „Die Gesellschaft wird auf Dauer nicht bereit sein, Geld an uns Landwirte ohne eine entsprechende Gegenleistung zu zahlen.“

Bis wann die eigentlich für das Jahr 2021 geplante GAP-Reform aber überhaupt greifen kann, ist weiterhin unklar. Bisher steht ein Vorschlag der EU-Kommission, über den die Mitgliedsstaaten noch verhandeln werden. Aber erst wenn über den Brexit entschieden ist, steht fest, wie viel Geld für die Landwirte überhaupt noch zur Verfügung steht. Bis dahin heißt es: Alle warten auf die Briten. dg

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