Karlsruhe/Brunnthal/Tegernsee – Die Fitnessstudio-Betreiberin Renate Holland (67) fordert mehr Transparenz von der Bewertungs-Plattform Yelp. „Die kennen doch ihren eigenen Algorithmus nicht“, sagt die ehemalige Bodybuilding-Weltmeisterin, kurz bevor ihr Rechtsstreit gegen das Online-Portal in die letzte Runde geht. An diesem Dienstag entscheidet der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe darüber, ob Yelp gute Bewertungen von Hollands Fitnessstudios für die Gesamtbewertung einfach ignorieren durfte (Aktenzeichen: VI ZR 495/18).
Auf Yelp können die Nutzer Restaurants, Dienstleister und Geschäfte bewerten – und eben auch Fitnessstudios. Zu vergeben sind ein Stern („Boah, das geht ja mal gar nicht!“) bis fünf Sterne („Wow! Besser geht’s nicht!“), außerdem kann man etwas schreiben. In die Gesamtbewertung fließen allerdings nicht alle Beurteilungen ein. Eine automatisierte Software identifiziert dafür die „empfohlenen Beiträge“, die Yelp für besonders hilfreich oder authentisch hält.
Yelp betont, dass alle Bewertungsplattformen so arbeiteten, um Fake-Bewertungen herauszufiltern und kündigte eine Stellungnahme an. Zu den Auswahlkriterien gehören laut Yelp beispielsweise die Qualität, die Vertrauenswürdigkeit und die bisherige Aktivität des Nutzers.
Im Durchschnitt würden ungefähr drei Viertel aller Beiträge als empfohlen eingestuft, erklärt Yelp. Nicht so bei Renate Holland: Eines ihrer Studios stand im Februar 2014 mit 2,5 Sternen da. Grundlage waren lediglich zwei Bewertungen. 74 überwiegend sehr positive Beiträge blieben unberücksichtigt. „Ich hätte normalerweise circa 4 bis 4,5 Sterne.“
„Das ist doch seltsam, dass man die einfach streicht“, sagt die 67-Jährige. Sie klagte gegen diese Praxis, scheiterte in erster Instanz vor dem Landgericht München, bekam aber in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Recht. Das aber wollte Yelp nicht auf sich sitzen lassen – und so müssen nun Deutschlands oberste Zivilrichter in Karlsruhe entscheiden.
„Schlechte Bewertungen können ja auch gefälscht sein – von der Konkurrenz zum Beispiel“, sagt sie. Außerdem wundere es sie, dass Nutzer, die schon mehr als 1000 Bewertungen abgegeben haben, als besonders zuverlässig gelten. „Wer geht denn so oft in ein Restaurant und bewertet so oft?“
Für Holland ist es ein Kampf David gegen Goliath. „Man ist denen ja ausgeliefert. Heute wird ja alles bewertet und jeder orientiert sich daran – ich ja auch, wenn ich mal essen gehe.“ Sie kämpfe nicht nur für sich und ihre Fitnessstudios – „sondern auch für andere, kleine Unternehmen, die vielleicht nicht die Mittel haben, sich zu wehren“. Wenn sie an Dienstag denke, werde sie schon ein bisschen nervös, sagt sie. „Das geht ja nun schon seit sechs Jahren. Entweder freue ich mich nach dem Urteil – oder ich bin traurig.“
Schlechte Bewertungen nicht auf sich sitzen lassen hat der Tegernseer Wirt Peter Huber. Der 51-Jährige hat den Internet-Riesen Google in die Knie gezwungen. Google hatte in seinen Bewertungen unter anderem geschrieben, Gäste müssten im Biergarten des Bräustüberls lange warten, bis zu 105 Minuten, um an ein Bier zu kommen. Im Fall von Huber aber kam es nicht zum Prozess: Einen Tag vor der Verhandlung vor dem Landgericht München Ende August des vergangenen Jahres erkannte der Weltkonzern die Ansprüche des Tegernseer Wirts an. Bereits im Juli hatte der Konzern die Funktion „Wartezeiten“ für das Bräustüberl abgeschaltet.
Dass es nicht zum Prozess kam, ist aus juristischer Sicht allerdings bedauerlich, denn ein Urteil hätte einige Dinge geklärt, die nun weiter unklar sind. Der Weltkonzern Google hatte nämlich darauf bestanden, dass die Zentrale in den USA verklagt hätte werden müssen. Wirt Peter Huber hatte jedoch die Google-Zentrale in Hamburg auf Unterlassung verklagt. Das Landgericht München hätte den Zuständigkeitsstreit entscheiden sollen. Das wäre richtungsweisend gewesen für ähnliche Fälle. Denn das Bräustüberl ist kein Einzelfall: Mehr als 20 Unternehmer, denen es ähnlich geht, hatten sich im Juli bei Huber gemeldet, erklärte Frank-Ulrich John vom Hotel- und Gaststättenverband. lby/svs