Glonn – „Was am Ende wirklich wichtig ist“ – im Juni 2018 veröffentlichte Karl-Ludwig Schweisfurth ein Video mit diesem Titel auf seiner Internetseite. Die Antwort gab er gleich im ersten Satz: „Die Quintessenz fasse ich zusammen mit dem Wort Liebe.“ Die Beziehung zu anderen Menschen, aber auch „die Art und Weise, wie wir mit der Natur umgehen“.
In der Nacht von Freitag auf Samstag ist Karl-Ludwig Schweisfurth mit 89 Jahren gestorben (wir berichteten kurz). „Er hatte bis zum Ende in Herrmannsdorf mit seinen Freunden und seiner Familie ein gesundes und gutes Leben“, teilte seine Familie mit. In Herrmannsdorf bei Glonn (Kreis Ebersberg) habe er „einen Leuchtturm für eine zukunftsgerechte Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft“ geschaffen, würdigte die Familie das Lebenswerk des gebürtigen Westfalen.
Schweisfurth hatte in den 80er Jahren die Herrmannsdorfer Landwerkstätten gegründet: Artgerechte Tierhaltung, ökologischer Ackerbau und eine Verarbeitung der Rohstoffe nach guter Handwerkskunst in eigenen Werkstätten wie einer Metzgerei, Bäckerei, Käserei und Brauerei waren ihm ein Anliegen. Die Vermarktung lief vor allem über eigene Geschäfte.
„Seine Verbindung guter handwerklicher Arbeit mit regionaler, ökologischer Landwirtschaft ist einzigartig“, sagt Hubert Heigl, Vorsitzender der Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern. „Er war ein Visionär.“ „Wir haben vor seiner Lebensleistung allergrößten Respekt“, erklärt Richard Mergner, Landesvorsitzender des Bund Naturschutz. Die Grünen würdigen Schweisfurth zudem als „Vorreiter in der Biobranche“.
Dabei sah das Leben von Karl-Ludwig Schweisfurth zuerst ganz anders aus: In den USA lernte er industrielle Fleischfabriken kennen. Er baute die Metzgerei seines Vaters zum Mega-Konzern „Herta“ mit Industrieproduktion um. Doch dann kam die Wende: Im Jahr 1984 beschloss er, neu anzufangen und „Herta“ zu verkaufen. „Ich sehe die Blicke der Tiere noch, als wenn sie mich fragen wollten: ‚Was macht ihr da mit uns?‘“, erzählte er 2018 in dem Video. Schweisfurth gründete neben den Landwerkstätten eine Stiftung und baute Gut Sonnenhausen in Glonn zum Lerngut mit Hotelbetrieb aus. Ein Herzensanliegen war ihm das Projekt „Symbiotische Landwirtschaft“: Die Idee dabei ist, dass verschiedene Tierarten gemeinsam auf Wiesen leben. „Wir nehmen den Tieren das Leben, darum ist es uns eine ethische Pflicht, ihnen ein gutes Leben zu geben“, war seine Überzeugung. Sein letztes Projekt war ein fahrbares Kaninchenparadies für Kinder. Im Mai ´2019 empfing Familie Schweisfurth Prinz Charles und Herzogin Camilla in den Landwerkstätten. „Bei dem Besuch war er ein Ruhepol mit stolzem Blick auf sein Lebenswerk“, sagt Hubert Heigl, der auch vor Ort war. „Er hatte eine besondere Ausstrahlung.“
Zum Abschied von Karl-Ludwig Schweisfurth gibt seine Familie ein Versprechen: „Wir werden das Werk in seinem Sinne fortführen und möchten uns bei ihm bedanken. Wir werden ihn sehr vermissen.“