Einerseits ganz wie wir, andererseits ganz anders, so präsentieren sich uns Bayern die Südtiroler. Ein südlicher Hauch durchweht das Landl, das Passeier, Eisack und Etsch hurtig durchfließen, und die Sonne bringt ein paar Plusgrade mehr auf die Skala als jenseits des Brenners, wo jetzt graue Nebelschwaden die Landschaft tapezieren. Nehmen wir einmal an, unsere Vorfahren hätten sich bei der Völkerwanderung weniger stark zurückgehalten, wären etwa mit den uns nah verbandelten Langobarden nach Oberitalien gezogen, so säßen wir vielleicht heute als Angestellte einer Cassa Rurale in Mailand, Genua oder Turin, lebten vielleicht auch als echte, aber übers Gebirge gezogene Bajuwaren auf einem Bergbauernhof auf dem Ritten oder als Wirt/Wirtin in Dorf Tirol und zögen nun den lang daheimgebliebenen, erst seit ein paar Jahrzehnten mobil gewordenen Altbayern die Euroscheine zu Hauf aus der Tasche.
Allerdings für gediegene Gegenleistungen. Die Südtiroler Küche kommt der bayerischen Geschmacksrichtung voll entgegen, der Speck und der Kaas sind vom Feinsten, und wenn dann noch beim Törggelen die Maroni in der Pfanne hüpfen und der „Sußer“ ausgeschenkt wird, dann ist schon so mancher Bayer selig in sein Quartier getorkelet, vielleicht aber auch plötzlich losgerannt, um noch rechtzeitig hinter den nächsten Busch zu kommen. In einem Gasthaus hoch über Meran bediente gleichzeitig die eingangs beschriebene Gleichheit und das Andersgeartete. Da war die Heidi, groß, blond und blauäugig, die aus dem Vinschgau stammt und deren Sprache schon leicht alemannische Anklänge hat. Daneben die kleine Tosca, dunkeläugig und schwarzhaarig wie noch einmal eine Italienerin. Doch wenn sie den Mund aufmachte, kam anheimelndes Südtirolerisch heraus, das aber dann doch wieder Abweichungen zeigte.
Wenn zum Beispiel Tosca verkündete, der Zwiebelrostbraten sei fertig, so meinte sie damit nicht, dass er servierbereit, sondern im Gegenteil „aus“ und somit von der Speiskarte gestrichen wäre. Gleiches und Gegensätzliches, immer wieder berührt es den Bayern in Südtirol. Da funkelt Tiroler Roter, daneben schäumt Weißbier einer bekannten bayerischen Brauerei. Einträchtig nebeneinander auf der Speiskarte stehen Lasagne, Schlutzkrapferl, Speckknödelsuppe und Tafelspitz, im Feinkostladen dampft neben Parmaschinken und Gorgonzola ein Laib warmer Leberkäs, mühelos wechseln die Bedienungen vom Südtirolerischen ins Italienische und umgekehrt. Unter den Lauben flanieren modisch elegante Signorine, weiter vorne an einem Brunnen sammeln sich Sarntaler Musikanten in ihrer stolzen malerischen Tracht. Silbern glänzt die Herbstsonne auf den Gletschern der Bergriesen, weiter unten raschelt der Fuß des Wanderers im dichten Laub der Kastanienwälder und wieder eine Etage tiefer pedalieren die Anhänger von Francesco Moser rudelweise auf ihren Rennmaschinen durch die Obstplantagen, in denen die letzten Äpfel gepflückt und in Kisten am Straßenrand zum Kauf angeboten werden. Viel mehr Zeit sollte man haben, um das viele Gleiche und das interessante Gegensätzliche in diesem viel gelobten und viel besuchten Urlaubsdomizil der Bayern aufspüren und genießen zu können.
An dieser Stelle schreibt unser Turmschreiber