Bäcker-Paar will Beruf attraktiver machen

von Redaktion

VON TOM ELDERSCH

Niederwinkling – Um 22 Uhr schrillt der Wecker. Kurz unter die Dusche, ein schnelles Frühstück und dann ab in die Arbeit. Während andere sich auf der Couch langmachen und noch einmal beim Fernsehen müde in die Chipstüte greifen, heißt es für die meisten Bäckereimitarbeiter ranklotzen. Das gilt auch für die 22 Produktionsangestellten der Bäckerei Steinleitner aus dem niederbayerischen Landkreis Straubing-Bogen. Für sie beginnt der Arbeitstag um 23 Uhr. Aber daran könnte sich schon bald etwas ändern.

Steffi und Markus Steinleitner sind Bäcker aus Leidenschaft. Und sie verstehen ihr Handwerk. Bei der ZDF-Show „Deutschlands bester Bäcker“ belegten der 51-Jährige und seine drei Mitstreiter vor sieben Jahren den zweiten Platz. Die Qualität kommt anscheinend auch beim Kunden an. Den Steinleitners gehören elf Filialen im Raum Straubing/Deggendorf. Dort zelebrieren sie ihr Motto „Gebacken wie zu Großmutters Zeiten“.

„Wenn Ihr in unser Brot beißt, dann sollt Ihr einfach einen kleinen Glücksmoment erleben“, heißt es auf ihrer Homepage. So wundert es nicht, dass Steffi Steinleitner emotional wird, wenn es um ihr geliebtes Bäckerhandwerk geht. „In den letzten Jahren wurde das Handwerk häufig nicht positiv dargestellt. Es gab kaum Wertschätzung“, sagt die 46-Jährige. Allen Handwerksberufen würde es so gehen. Besonders Bäcker und Metzger würden aber unter einem schlechten Ruf leiden. Steinleitner kann das nicht verstehen. „Wir ernähren doch Menschen. Wie kann man sich heute nur ein Brot wie eine Cola-Flasche aus irgendeinem Backautomaten ziehen.“ Sie hoffe auf ein Umdenken, sonst würde die Zunft kaputtgehen, betont sie. Alle Bäcker wären sonst dazu gezwungen, nur noch industrielle Ware herzustellen.

Damit es nicht so weit kommt, haben sich Steffi und Markus Steinleitner Gedanken gemacht. Dabei half erstaunlicherweise auch die Corona-Krise. „Davor gab es nur das Tagesgeschäft. Die Routine machte sich breit“, sagt der 51-Jährige. „Wir mussten uns mal rausnehmen und an einem Weg für die Zukunft arbeiten.“ Und das taten sie. Sie steckten eine Menge Hirnschmalz in ihre Idee, einen Großteil der Produktion in die Tagschicht zu verlegen. Die Idee reifte in ihnen schon länger.

Vor drei Monaten wagten sie den Schritt bei den Konditoren. Dort fängt der Arbeitstag nun um 8 Uhr an und „das funktioniert wunderbar“, sagt der Bäckermeister. Endlich hätten die Angestellten mehr Zeit, die sie mit dem Partner oder der Familie verbringen können. „Damit hoffen wir, den Beruf wieder attraktiver zu machen“, sagt Markus Steinleitner. Ende Januar sollen die Teige für die Brote auch am Tag entstehen. Eine längere Lagerungszeit würde die Qualität sogar noch verbessern.

Nachts bräuchten die Steinleitners dann nur noch zwei Mitarbeiter, die das Backen und Kommissionieren übernehmen. „Wir haben zwei Angestellte, die schon immer nachts gearbeitet haben und das auch weiter so machen wollen“, sagt Steffi Steinleitner. Ihre zwei Azubis würden sich aber schon darauf freuen, endlich ein wenig länger schlafen zu dürfen. Gegen 5 oder 6 Uhr soll die neue Tagschicht beginnen – am genauen Zeitpunkt feilt das Bäcker-Ehepaar noch.

Ob das Modell aus Niederbayern Schule machen wird, kann wohl nur die Zeit zeigen. Vor allem für junge Leute dürfte der neue Arbeitsbeginn einladender sein, als die Nachtschicht zu unchristlichen Zeiten. Bislang fanden die Steinleitners immer noch genug Bewerber, doch die Zahl habe in den vergangenen Jahren abgenommen. Als Grund dafür hat das Bäcker-Ehepaar die Arbeitszeiten ausgemacht. Praktikanten hätten immer gerne für sie gearbeitet. Nur das frühe Aufstehen hätte ihnen zugesetzt. Jetzt könne sich der Bäcker-Nachwuchs im Sommer auch mal mit Freunden im Biergarten treffen, betont Steffi Steinleitner.

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