Verena Bentele ist zur VdK-Landesvorsitzenden in Bayern gewählt worden. Seit 2018 ist sie auch Vorsitzende auf Bundesebene. Wie sie beide Ämter verbinden will und welche Menschen in Bayern den VdK gerade am meisten brauchen, verrät die 41-jährige Münchnerin im Interview.
Warum hat es Sie gereizt, VdK-Chefin in Bayern zu werden?
Der VdK ist in Bayern super organisiert. Wir haben gute ehren- und hauptamtliche Strukturen vor Ort. Wir sind auch im landespolitischen Bereich sehr stark, zum Beispiel sorgen wir für Verbesserungen bei der häuslichen Pflege und der Barrierefreiheit. Der VdK ist die Stimme für mehr soziale Gerechtigkeit. Diese Stimme in unserem größten Landesverband zu sein, ist für mich eine tolle Herausforderung.
Wie schwer wird es, Ihr Amt auf Bundesebene mit dem Bayern-Vorsitz zu vereinen?
Mir ist klar, dass ich jetzt etwas weniger Freizeit haben werde. Das nehme ich aber gerne in Kauf. Ich hatte sowieso immer viele VdK-Termine in Bayern. Hier finden viele unserer Veranstaltungen statt, zum Beispiel die Rentenkampagne oder die Aktion „Weg mit den Barrieren“. Meine Arbeit in Bayern werde ich nun einfach intensivieren. Auf Bundesebene ist es auch ein riesiger Vorteil, den größten Landesverband hinter sich zu haben.
Was haben Sie sich für Ihre Amtszeit vorgenommen?
Eine große Herausforderung ist es, weiterhin viele Menschen für den VdK zu begeistern. Wir haben einen großen Zuwachs, aber wir müssen dranbleiben und auch für jüngere Menschen attraktiv sein. Natürlich gibt es auch viele politische Herausforderungen. Markus Söder und seine Staatsregierung haben viel zu tun. Zum Beispiel im Bereich Barrierefreiheit. Es wurde uns ein barrierefreies Bayern versprochen, das haben wir noch nicht erreicht. Wir haben auch noch zu wenig Strukturen für die häusliche Pflege, also zu wenig Kurzzeit- und Tagespflegeplätze vor Ort. Und nicht überall gibt es eine unabhängige Beratung mit Pflegestützpunkten. Es gibt also noch viel anzupacken.
Sie haben vor zwei Jahren angekündigt, für die häusliche Pflege auf die Barrikaden zu gehen, wenn es nicht mehr Hilfen gibt. Was ist seitdem passiert?
Auf Bundesebene ist ein bisschen was passiert. Es gibt ein neues Gesetz zum Thema Pflege, das wir aber sehr enttäuschend finden. Wir werden daran weiterarbeiten müssen, dass die Leistungen für zu Hause Gepflegte einfacher zu erlangen sind.
Ziehen Sie notfalls auch Klagen in Betracht?
Wir klagen bereits für eine Erhöhung des Pflegegeldes. Und wir prüfen, ob es sich lohnt, bis vor das Verfassungsgericht oder das Bundessozialgericht zu ziehen, damit die Bedingungen besser werden. Während der Inflation wird das Geld für die häuslich Gepflegten immer knapper, während die Einrichtungen Rettungsschirme bekommen. Der VdK muss für die Menschen zu Hause kämpfen.
Sie haben von vielen Mitgliedern Hilferufe wegen der gestiegenen Energiekosten bekommen. Wie haben sie den Winter überstanden?
Am härtesten hat die Inflation ältere Menschen mit kleiner Rente getroffen, die nicht viel an ihrer Situation ändern können. Sie hat Familien getroffen, die nur ein geringes Einkommen haben, und alle, die sowieso schon rechnen mussten. Für sie war der Winter sehr hart. Einige Mitglieder haben uns berichtet, dass sie kein Geld mehr für Öl haben und nicht mehr heizen können.
Ein Wirtschaftsprofessor fordert, Mieterschutzregeln außer Kraft zu setzen, damit weniger Menschen allein in großen Wohnungen leben. Was halten Sie von diesem Ansatz?
Ich würde dieses Thema anders anpacken. Klar, wir brauchen eine andere Nutzung von Wohnraum. Auch viele unserer Mitglieder wohnen teils nicht barrierefrei und oft in zu großen Wohnungen. Sie würden gerne umziehen, finden aber nichts Bezahlbares und Barrierefreies. Wenn man so eine Forderung aufstellt, muss man erst mal schauen, was man den Menschen bieten kann. Das ist eine riesige Herausforderung, auf die ich derzeit noch keine Antwort sehe.
Der VdK hat 2,2 Millionen Mitglieder. Mehr als die IG Metall. Ist das ein Erfolg – oder zeigt es, wie groß die sozialen Probleme sind?
Beides. Wir machen gute Arbeit und haben gute Strukturen vor Ort, die die Menschen auffangen. Deshalb steigt unsere Mitgliederzahl – in Bayern im Schnitt um 167 täglich. Aber sie werden auch VdK-Mitglied, weil sie Hilfsmittel, eine Reha oder die Erwerbsminderungsrente nicht bekommen und unsere rechtliche Unterstützung brauchen. Das ist ein Zeichen dafür, dass wir in unserem Sozialstaat dringend Reformen brauchen.
Interview: Katrin Woitsch