Die Bauern Anja Beilhack und Bernhard Maltan betreiben die Mordaualm.
Hanna Auer und Bernhard Glasl verbringen den Sommer als Senner auf der Mordaualm im Berchtesgadener Land. © Martin Hangen (3)
Ramsau – Moni ist eine Kuschel-Kuh. „Sie ist brav, toll und anhänglich“, sagt Hanna Auer, grünes Dirndl, Wanderstock, und tätschelt Moni die Schnauze. Die Glocke um Monis Hals bimmelt, als sie Hanna wie ein treuer Hund hinterherrennt. Aber nicht jeder darf mit Moni kuscheln. „Sie kennt mich“, sagt die 20-Jährige. Wanderer sollten lieber Abstand halten, sich nicht von hinten nähern, ruhig an den Tieren vorbeigehen und Hunde anleinen, damit nichts passiert. Hier gilt der Almknigge! Die Herde wird nämlich von der braun-weiß gefleckten Schnucki beschützt, der Polizistin der Weide. „Sie ist wachsam.“ Auch die liebevolle Silke passt auf die Kleineren auf, sie ist hier mit zwölf Jahren die Oma. „Jede Kuh hat ihren eigenen Charakter“, erklärt Auer. Das macht ihre Arbeit hier oben auf 1200 Metern so spannend.
Hanna Auer und ihr Freund Bernhard Glasl arbeiten diesen Sommer als Senner beim Gschoßkaser auf der Mordaualm im Berchtesgadener Land. In ihrem richtigen Leben – sie wohnen in Taufkirchen im Kreis Erding – machen sie etwas ganz anderes. Dort ist die 20-Jährige als pharmazeutisch-technische Assistentin in einer Apotheke tätig, der 25-Jährige als Heizungsbauer.
„Es gibt immer mehr Externe, die sich eine Auszeit auf der Alm gönnen“, sagt Barbara Steiner-Hainz, Sprecherin der Milchwerke Berchtesgadener Land Chiemgau. Zur Genossenschaft der Molkerei gehören 1600 Mitglieder, sie liefern insgesamt rund 380 Millionen Kilo Milch im Jahr. Auch der Gschoßkaser auf der Mordaualm, den Bernhard Maltan und Anja Beilhack betreiben, ist dabei. Die beiden Bauern haben Auer und Glasl angestellt. Sie wissen: Manchmal ist es gar nicht so leicht, geeignete Almmitarbeiter zu finden. Interessierte können sich an den Almwirtschaftlichen Verein Oberbayern wenden, der das Personal vermittelt.
Der Verein empfiehlt Neulingen, Grundkenntnisse in der Viehhaltung zu erwerben, hierfür gebe es Kurse an Tierhaltungsschulen. Ansonsten müssen Bewerber Verantwortungsbewusstsein und rund drei Monate Zeit mitbringen. Beilhack, die Bäuerin mit der feschen Hochsteckfriseur, findet: „Man muss erkennen, ob eine Kuh gesund ist.“ Maltan betont: „Man muss für das Ganze brennen.“ Heuer haben sie Glück mit den Sennern. Ein paar Tage Einarbeitung reichten. „Die Senner sind wie Familienmitglieder.“
Über dem Waschbecken der Milchkammer löst Hanna den Weichkäse, den sie gemacht hat, aus den Formen, dreht ihn um. Ganz ahnungslos kam die 20-Jährige nicht auf die Alm. „Die Kühe haben mir schon immer gefallen.“ Deshalb suchte sie sich zu Hause einen Nebenjob auf einem Bauernhof, wo sie mehrmals die Woche Kühe melkt. Auch Glasl jobbt nebenbei in der Landwirtschaft.
Eine Kollegin brachte Auer auf die Idee mit dem Almsommer. „Alleine wollte Berni mich nicht gehen lassen.“ Die beiden sind seit zwei Jahren ein Paar. Also kam der Freund mit auf den Berg. Die beiden nahmen dafür unbezahlten Urlaub. Weil sie bei ihren Eltern leben, können sie sich das leisten. Hier oben auf der Alm bekommen sie Kost und Logis frei und einen kleinen Lohn, der Verhandlungssache ist. Das Kasen hat Auer zu Hause geübt. „Anja hat mir per WhatsApp alles erklärt.“ Nur den Schüsselkäse, eine Spezialität, macht die Bäuerin lieber selbst.
Auer geht durch die Herzerl-Tür nach draußen, serviert Brotzeitbrettl und Quittenschorle. Der Alltag auf der Alm ist dicht getaktet. Um 5 Uhr stehen die Senner auf, füttern und melken die Kühe. „Sie kommen zuverlässig zum Melken in den Stall“, sagt Auer. Gesteuert von einer inneren Uhr. Danach steht der Stallputz an. Er macht anschließend Butter, sie backt Kuchen für die Gäste. Gegen 9 Uhr karren sie in einem Anhänger rund 200 Liter runter zur Alpenstraße, wo der Milchlaster wartet. „Das ist das Highlight des Tages, weil man mal rauskommt“, sagt sie.
Gegen 16.30 Uhr trotten die Kühe zum Melken in den Stall. Einen fixen Feierabend gibt es nicht. Manchmal fahren Gäste erst abends mit dem E-Bike auf die Mordaualm, bleiben bis 20.30 Uhr. Auch wenn manche Tage stressig sind: „Man kommt hier gut runter“, sagt Bernhard Glasl. Abends, wenn der Trubel abebbt, sitzt das Pärchen gerne oben auf dem Bankerl und genießt die spektakuläre Aussicht auf Watzmann, Hochkalter und Blaueisgletscher. Sie trinken ein Bier, essen Spaghetti. Ein bisserl Romantik ist auch mal drin.
„Die Freunde daheim waren überrascht, dass wir auf die Alm gegangen sind“, erinnert sich Glasl. Das Paar vermisst hier oben aber nichts. Trotz eingeschränktem Handyempfang. Immerhin haben sie Strom, fließend Wasser und ein richtiges Klo. Das ist Luxus am Berg. Größere Pannen sind bislang ausgeblieben. „Einmal hat Berni einen Bund Schnittlauch im Ganzen eingefroren, ohne ihn klein zu schneiden“, erzählt Auer. Das war das Schlimmste. Schlimmer wird der Abschied von Moni, Silke und Co. Ende September. Aber wahrscheinlich ist das nicht der letzte Almsommer des Pärchens. Auer will bald ihren Bulldog-Führerschein machen. Sie träumt von einer Zukunft mit Kühen. MARLENE KADACH