„Ich habe auch wieder etwas geschlafen und war bei der Ankunft auf dem Anhalter Bahnhof [in Berlin] so zerschlagen an allen Gliedern, daß ich am liebsten in meiner Schlafwagenkabine liegen geblieben wäre […] ich mußte wenigstens bis ins Hotel gelangen, es geschah frostklappernd, im Excelsior legte ich mich sofort wieder zu Bett, mein Reisebegleiter versorgte mich mit einem steifen Grog, ich schluckte noch mehr Aspirin, dann wollte er sich nach einem Arzt umtun. Dies war freilich vergebliche Liebesmüh; die Riesenepidemie hielt alle Ärzte in Atem, die Krankenhäuser konnten keinen Zugang mehr aufnehmen, die Leute starben, wie der Portier tröstlich meinem Kollegen sagte, in den Hotels, ohne daß sie einen Doktor zu sehen gekriegt hätten. (…) Der Weg dahin [vom Reichstag zum Hotel] war freilich noch ein Martyrium. Ich mußte […] mich zu Fuß auf den Weg (…) machen. Nie im Leben wieder ist mir die Entfernung vom Reichstagsbau zum Anhalter Bahnhof so unermesslich vorgekommen, nie wieder habe ich diese Strecke mit so verzweifelten Empfindungen zurückgelegt. Bei jedem Atemzuge schnitt die kalte nasse Abendluft wie mit glühenden Messern in die Luftröhre. ‚Lungenentzündung, Lungenentzündung!’ murmelte ich immer wieder vor mich hin, und dies bedeutete mir zugleich ein Todesurteil. Keine Frage, ich hatte eine Grippelungenentzündung und lag verlassen, ohne ärztlichen Beistand in einer Berliner Karawanserei.“
Willy Hellpach war Neurologe und später Professor für Psychologie, seit 1922 badischer Kultusminister, 1924/25 Staatspräsident. Er kandidierte 1925 gegen Hindenburg um das Amt des Reichspräsidenten und verlor.