Natürlich weiß man nicht, wie das sonst so ist, wenn ein Künstler vor dem Auftritt im Münchner Lustspielhaus einläuft. Bei Maxi Schafroth jedenfalls gibt es ein großes Hallo. Jeder grüßt den hineinwuselnden Schafroth mit aufrichtiger Herzlichkeit. Auch während des Interviews wird immer mal wieder „reingschwätzt“, wie Schafroth das so schön sagt. Jeder, der reinkommt – Techniker, Bedienungen, Bühnenarbeiter – freut sich offenkundig, Schafroth zu sehen.
Das ist das Erste, was einem auffällt beim Treffen mit dem 33-jährigen Allgäuer, der sich in den letzten zehn Jahren nach oben gespielt hat auf Bayerns Kabarettbühnen. Und gleichzeitig Zeit für Fernseh- und Kinoauftritte gefunden hat. Der zweite Eindruck ist: außergewöhnliche, völlig unverstellte Freundlichkeit.
Schafroth verbreitet pausenlos gute Schwingungen, ohne Absicht, es ist seine Natur. Scheinbar unbeeindruckt ist der junge Bursche davon, was ihm in wenigen Wochen bevorsteht: Schafroth darf das kabarettistische Hochamt des politischen Betriebs bestreiten, als „Derblecker“ beim Starkbieranstich auf dem Nockherberg.
Obwohl er schon beim Singspiel auf dem Nockherberg mitgewirkt hat, kam das Angebot aus dem Nichts, wie Schafroth erzählt. „Es war völlig überraschend. Der Adrenalinstoß nach diesem Anruf hat eine Woche angehalten. Ich habe aber keine Sekunde überlegt. Ich dachte halt: coole Aufgabe. Es hat ja keinen Sinn, sich da selber verrückt zu machen.“
Nervosität sei eben nicht so seins, erklärt Schafroth. „Ich habe schon vor Versicherungsangestellten, Fachbereich Hagelschäden, gespielt, ich bin da gestählt.“ Natürlich sei es eine besondere Sache mit „sehr viel Brisanz“. Aber das schreckt ihn nicht. „Ich bin neugierig, wie das ist, wenn die Angesprochenen dann alle dasitzen. Das kann inspirieren, könnte aber auch verwirrend sein. Alleine diese Blicke zu studieren, das ist Grund genug, das zu machen.“
Behaupten tun das alle vorher. Aber bei Maxi Schafroth klingt es schlüssig. Der hippelige Schnellsprecher ist zugleich ein reflektierter und nachdenklicher Mann. Und so geht der gelernte Bankkaufmann auch den Nockherberg an: abgeklärt. „Natürlich ist es mein Ziel, dass es eine gute Veranstaltung wird und das rüberzubringen, was mir wichtig ist. Aber das Leben geht für mich danach einfach weiter.“ Bühnenauftritte, Fernsehen. „Ich bin ja breit aufgestellt, wie meine alten Bankkollegen gesagt hätten.“
Dass die Aufmerksamkeit hoch ist, bleibt dem 33-Jährigen natürlich nicht verborgen. „Ich werde ständig auf den Nockherberg angesprochen, es ist ein besonderer Auftritt.“ Es könne super laufen – oder etwas ruhiger werden. „Damit muss ich umgehen. Bei einer Sache wie dem Nockherberg muss man auch lernbereit sein. Das kann einem keiner beibringen. Wie reagiert der Saal? Wo sind die Energien verteilt? Das sind Erfahrungen, die dann in den Schreibprozess für das nächste Mal einfließen.“
Einfach Namen aufzählen und dazu etwas möglichst Gemeines raushauen, das will er auf keinen Fall. Ihn beschäftigt eher, was die Menschen antreibt. Und das ist oft Angst, glaubt Schafroth. „Diese Angst vor Verlust hat für mich auch eine politische Dimension. Dass politisches Kabarett ist, wenn man zehn Politikernamen erwähnt – diese Denke ist schon sehr deutsch. Die Analyse des Menschen und seines Verhaltens: wo ist er angreifbar, Wo hat er Angst, wo grenzt er sich ab? Das ist für mich der Kern, das ist spannend.“
Schafroths Ansatz ist ein anderer als einfache Politik-Häme. „Man braucht erst mal ein Grundvertrauen der Menschen. Und das funktioniert nicht, wenn man von der Kanzel aus Watschn verteilt. Es kann natürlich kein Dialog sein, weil ich rede und die zuhören, aber emotional muss es ein Dialog sein.“ Der Austausch ist auch ein Kritikpunkt an der Entwicklung in der politischen Diskussion. „Alle verschließen sich. Das linke Lager im Gefühl der Überlegenheit und das rechte Lager in der Aggression. Ich bin kein Freund von Extremen und glaube an die Vernunft. Die Verbindung zwischen uns muss bleiben und das fehlt mir derzeit, das ist in den letzten Jahren verloren gegangen. Und ich werde bestimmt nicht derjenige sein, der weiter spaltet. Man kann trotzdem die Dinge klar benennen.“
Schafroth wird in solchen Momenten für seine Verhältnisse sehr ernst. Das Thema einer auseinanderdriftenden Gesellschaft treibt ihn um, ist ihm wichtiger als die schnelle Pointe. „Diese Abgrenzung, die bei uns stattfindet, führt in die Isolation. Ich finde, da kann man einen Beitrag leisten, genau das zu durchbrechen. Dieses Auseinanderdividieren von vermeintlich Dummen und Schlauen, von Reichen und Armen, das muss man unterbinden.“ Schafroth klingt da fast selber wie ein Politiker.
Politik zieht ihn tatsächlich magisch an. Er beobachtet genau, wie sich Politiker verhalten. „Der Gegensatz zwischen Figuren wie Thomas Kreuzer und Katharina Schulze fasziniert mich. Immer wenn die Schulze aufgedreht ans Pult tritt, denk ich: Wahnsinn, das ist mein Jahrgang.“ Dann werde ihm klar: „Wenn jemand in deinem Alter im Landtag auftritt, bedeutet das: Du bist jetzt erwachsen.“ Danach komme immer der Kreuzer daher, „wie eine marmorne Statue mit diesem Infraschallbass und diesem selbstverständlichen Machtanspruch, der jetzt natürlich einen Dämpfer bekommen hat“. Die Freien Wähler seien auch witzig. „Da geht es ja schon ins unfreiwillig Komische hinein.“
Seinen Hang, die Dinge so zu sehen, bezieht er aus seiner Kindheit im 70-Seelen-Dorf Stephansried im Allgäu. Eine geordnete Welt, die man als junger Mensch naturgemäß infrage stellt. „Dieses Phänomen der demonstrierten Macht beeindruckt dich als Kind natürlich. Da kommt der Landrat im Janker mit dem Mercedes daher und alle stehen Spalier. Und dann hab ich mit dem Isolierband den Auspuff zugeklebt und Ärger gekriegt. Aber so lernt man, Autorität infrage zu stellen.“
Er war, räumt Schafroth ein, natürlich ein kleiner Sonderling in dieser Bergidylle, aber immer unterstützt vom Elternhaus. „Meine Eltern waren ein Ankerpunkt, sie waren in ihrem Denken sehr frei und extrem unideologisch.“ Als Schafroth mit einer Laufbahn auf der Bühne liebäugelt, löst das im Umfeld Getuschel aus. Die Eltern hingegen finden es gut. „Meinem Vater hat eher meine Bankkarriere Sorgen bereitet.“ Wenn es mit der Bühne nicht geklappt hätte? „Dann wäre ich halt zur Bank zurück. Es ist doch egal, ob jemand in einer Bank oder in einem Supermarkt arbeitet. Wie jeder sein Auskommen hat, das muss man akzeptieren. Das nicht zu tun, ist doch die wahre Kleingeistigkeit.“
Der Mann, der eine Banklehre absolviert hat, als Musiker über Bühnen getingelt ist, Drehbuchschreiben studiert hat und das in den USA vertiefte, der Schauspieler ist und Moderator und nun Bayerns oberster Derblecker – der Mann ist auf jeden Fall noch nicht am Ende seines Weges angekommen. Völlig egal, wie das am Nockherberg laufen wird am 12. März. Oder wie es Schafroth sagt: „Wenn man einen großen Trichter hat, bleibt halt mehr hängen. Man muss ja offen bleiben für alles.“