Schlacht der Giganten

von Redaktion

Internetsender DAZN wirbelt das Sportfernsehen durcheinander – und will nach der Bundesliga greifen

München – Wenn Dortmund morgen in der Champions League gegen Tottenham spielt – dann läuft im Zweiten kein Fußball, sondern der Krimi „Mordshunger: Verbrechen und andere Delikatessen“. ZDF-Krimis sind zwar populär. Aber Millionen von Fußballfans hätten an diesem Abend eher Mordshunger auf Champions League. Doch diese Zeiten sind im öffentlich-rechtlichen Fernsehen vorbei, wohl für immer.

Seit dieser Saison ist die „Königsklasse“ des Fußballs komplett im Bezahlfernsehen verschwunden. Und das Spiel von Bundesliga-Tabellenführer BVB läuft nicht mehr im ZDF, sondern im Internetsender DAZN, der seit Sommer 2016 dem einstigen Fußball-Monopolisten Sky schwer zusetzt – und der in zwei Jahren auch ins Geschäft mit den Bundesliga-Übertragungen einsteigen will. Spätestens dann dürften Sportfans nicht mehr darum herumkommen, sich den rätselhaften Namen einzuprägen.

Der russisch-ukrainische Milliardär Leonard Blavatnik, 61, dessen Vermögen das US-Magazin Forbes auf 19,6 Milliarden Dollar beziffert, ist schuld daran, dass im deutschen Sport-Fernsehen in den nächsten Jahren kaum ein Stein auf dem anderen bleiben dürfte. Sein Unternehmen Perform Group mit Sitz in London ist Hauptanteilseigner von DAZN, das sich vorgenommen hat, das „Netflix des Sports“ zu werden, mit Übertragungen praktisch aller populären Sportarten. Schon jetzt zeigt DAZN in Deutschland die Top-Fußball-Ligen aus England, Spanien, Italien und Frankreich sowie Champions League und Europa League, dazu den wichtigsten US-Sport, Tennis oder Darts.

Und dabei soll es nicht bleiben. Denn wenn Leonard Blavatnik in ein Geschäft einsteigt – dann richtig. Seine Investitionen in Öl, Kohle, Alu und Immobilien haben ihn zum 50.-reichsten Menschen der Welt gemacht. Als er beschlossen hat, auch mit Musik Geld zu verdienen, hat er sich am schwedischen Streaming-Marktführer Spotify beteiligt und für 2,9 Milliarden Euro die Plattenfirma Warner Music gekauft. Hinter den Songs von Udo Lindenberg oder Ed Sheeran steht damit der gleiche Mann wie hinter den Champions-League-Übertragungen auf DAZN.

Halbe Sachen sind nicht nach dem Geschmack des vierfachen Vaters. Das gilt vor allem auch für DAZN, das bisher in Deutschland mit seinem Kampfpreis von 9,99 Euro im Monat vor allem absolut Sport-Narrische anspricht. Aber nicht mehr lange, glaubt Senderchef James Rushton. Er kündigt an: „Es gibt keinen Grund, warum wir in fünf Jahren nicht so viele Abonnenten haben sollten wie Sky.“ Im Vergleich zu Platzhirsch Sky mit über fünf Millionen Abonnenten steht DAZN mit seiner bisher „sechsstelligen“ Kundenzahl (nähere Details werden nicht genannt) aber noch vor einer enormen Aufholjagd.

Während sich Sky noch am klassischen Fernsehen orientiert, können sich DAZN-Abonnenten aus einer Reihe von Streams, die parallel laufen, ihre Lieblingssportart aussuchen. Und erklärt werden die Spiele nicht wie bei Sky von Altstars wie Lothar Matthäus oder von Fußball-Büttenredner Reiner Calmund, sondern von cleveren, jungen Ex-Profis wie Thomas Broich oder Ralph Gunesch.

Ab 2021 will DAZN auch die Bundesliga übertragen. „Natürlich interessieren wir uns dafür“, erklärt Deutschland-Chef Thomas de Buhr zu Live-Übertragungen der Liga, die sich bisher Sky und Eurosport teilen. Doch bis es so weit ist, muss DAZN einige Hürden überwinden. Sky hat Ende 2018 zum ersten Mal massiv zurückgeschlagen – und DAZN die Rechte an der englischen Premier League ab kommenden Sommer weggekauft. „Der Verlust schmerzt natürlich“, gibt de Buhr zu.

Mit den Bundesliga-Rechten, die zuletzt 1,16 Milliarden Euro pro Saison gekostet haben, wäre es für DAZN kaum noch möglich, den Preis von 9,99 Euro im Monat zu halten. Ein Modell, bei dem das Abo beispielsweise 30 Euro kostet, schließt der Sender strikt aus. Aber auch Werbung wollte DAZN seinen Kunden eigentlich ersparen. Seit Anfang dieses Jahres läuft nun doch Reklame zwischen den Übertragungen. Momentan gilt als wahrscheinlich, dass sich DAZN für die Rechteperiode ab 2021 eher um ein kleineres Bundesliga-Livepaket bewirbt und dass der Hauptteil der Spiele bei Sky bleibt. Oder steigen auch Netflix, Amazon, Apple oder Disney in den Bundesliga-Poker ein? Fußballfans könnten jedenfalls bald mehr Abos denn je brauchen, um alle Spiele sehen zu können.

Ach ja, der Name. Die vier Buchstaben leiten sich ab vom englischen Sportbegriff „In the Zone“, der beschreibt, wie sich ein Sportler quasi „im Tunnel“ befindet. Korrekte Aussprache deshalb: „Da Zoun“. Auch beim Sendernamen war früher alles einfacher – damals, als das ZDF noch die Champions League übertragen hat. JÖRG HEINRICH

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