Berlin – Bei Urlaubsreisen innerhalb Deutschlands müssen sich Bürger aus Orten mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen im Herbst auf erhebliche Schwierigkeiten gefasst machen. Die Länder beschlossen gestern mehrheitlich, dass solche Reisenden nur dann beherbergt werden dürfen, wenn sie einen höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test haben. Das wurde nach einer Schaltkonferenz der Staatskanzleichefs der Länder mit Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) mitgeteilt. Greifen soll dies für Reisende aus Gebieten mit mehr als 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnern binnen sieben Tagen.
Mehrere Länder gaben zu dem Beschluss aber abweichende Erklärungen ab. Berlin und Thüringen machten deutlich, dass sie ein Beherbergungsverbot nicht mittragen wollen, später schwächte Berlin diese Aussage ab. Niedersachsen und Bremen wollen es prüfen. Mecklenburg-Vorpommern will bei strengeren Quarantäneregeln bleiben. In Nordrhein-Westfalen sind vorerst ebenfalls keine Beherbergungsverbote in Kraft. „Es gibt keinen Automatismus“, sagte der Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski (CDU). Dieses Instrument könne genutzt werden, wenn das Gesundheitsministerium bestimmte Regionen entsprechend ausweise.
Bund und Länder bekräftigten im Kern aber eine Linie, die vor den Sommerferien grundsätzlich beschlossen worden war. Nun sollte es angesichts teils unterschiedlicher Regeln um einen einheitlicheren Rahmen für den Herbst gehen. Generell fordern Bund und Länder aufgrund steigender Zahlen „eindringlich alle Bürgerinnen und Bürger auf, nicht erforderliche Reisen“ in Risikogebiete und aus diesen Gebieten heraus zu vermeiden.
In dem Beschluss heißt es mit Blick auf die Tests: „Die Eindämmung des Infektionsgeschehens und die Testungen im Gesundheitswesen sowie Testungen zur Aufrechterhaltung des Bildungswesens und der inneren Sicherheit haben Priorität.“ Insofern könnten solche „Freitestungen für Reisezwecke“ nur gemacht werden, wenn die regionalen Kapazitäten dies zusätzlich zulassen. Generell gibt es auch keine Regelung dazu, dass die Krankenkassen Tests bei Inlandsreisen zahlen. Dies gilt derzeit nur für Pflichttests für Reiserückkehrer aus Risikogebieten im Ausland.
Bremen, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Thüringen legten Protokollerklärungen zu dem Beschluss vor. Niedersachsen will demnach prüfen, ob der Beschluss mitgetragen werden kann. Das Land Bremen, das selbst gestern die 50er-Marke überschritt, erklärte, ob man den Beschluss letztlich mittrage, werde erst im Senat beraten.
Thüringen wies darauf hin, „dass die Einschätzung der Gesundheitsbehörden der betroffenen Gebiete Grundlage und Maßstab für die Maßnahmen der Reisezielgebiete sein muss“. Das Gesundheitsministerium in Erfurt erläuterte, de facto gebe es keine Einreiseverbote. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte, für Infizierte oder Verdachtsfälle werde Quarantäne angeordnet. Sie dürften Regionen mit Infektions-Hotspots nicht verlassen. Warum jedoch alle Menschen aus einer solchen Region nicht beherbergt werden sollten, sei ihm unverständlich, sagte er.
Berlin forderte, bei der Bewertung des Infektionsgeschehens „als Gesamtstadt und Einheitsgemeinde“ behandelt zu werden. In Bayern werden die Regeln allerdings auch für Bezirke innerhalb Berlins gelten – auch, wenn das Land insgesamt unter der 50-er Marke bleibt. Konkret benannte das bayerische Gesundheitsministerium Hamm, Remscheid und Bremen sowie die Berliner Bezirke Mitte, Neukölln, Tempelhof-Schöneberg und Friedrichshain-Kreuzberg. Mecklenburg-Vorpommern machte klar, dass die genannten Maßnahmen als Mindestanforderungen angesehen würden und man an einer Quarantänepflicht für Besucher aus Risikogebieten festhalte.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach nannte innerdeutsche Testpflichten und Beherbergungsverbote wenig sinnvoll: „Wir werden bald so viele betroffene Regionen haben, dass die Regel kaum umsetzbar, geschweige denn kontrollierbar ist.“ Zudem müssten Angebote in Deutschland erhalten bleiben, um zu verhindern, dass Deutsche in ausländische Hochrisikoregionen reisen. M. HERZOG/J. BLANK/S. MEYER