HINTERGRUND

Ein Ski-Club verliert 20 Kameraden

von Redaktion

Mit 49 Männern und Frauen fährt ein Ski-Club aus der Oberpfalz im November 2000 nach Österreich ins Pistenvergnügen. 20 Reiseteilnehmer kommen in der Seilbahn von Kaprun ums Leben. Das verheerende Unglück wühlt die Menschen in Vilseck im Landkreis Amberg-Sulzbach bis heute auf, sagt Markus Hiltel, 47. Er hatte die Gruppe geleitet.

Es sei ein „Traumtag“ gewesen, erzählt er. Sonne, blauer Himmel. An der Talstation teilt der Reiseleiter die Skipässe aus. Nach und nach steigen die Kameraden in die Bahn. Irgendwann ist der Zug voll. Hiltel und einige weitere Vilsecker müssen warten. Eine 17-Jährige aus der Gruppe sei noch schnell von Skifahrern über das Drehkreuz gehoben worden, damit sie es in die Bahn schafft. „Das ist das Allertraurigste überhaupt. Sie wäre eigentlich gar nicht in der Bahn gewesen“, sagt Hiltel. Die Jugendliche stirbt später in den Flammen.

Hiltel berichtet, wie er und seine Freunde vergeblich auf die nächste Bahn warten. Lange hätten sie nicht gewusst, was passiert sei. Irgendwann gibt es Gerüchte, dass es brennt. Rettungsfahrzeuge rasen herbei. Aus der Ferne sieht er einige Skifahrer aus dem Tunnel laufen, glaubt, seinen Cousin zu erkennen. In der Nähe wird ein Notlager für die Verletzten aufgestellt. In dem Zelt kommen aber keine Verletzten an.

Der damals 27-Jährige fährt in die Klinik nach Zell am See, wo Opfer eingeliefert worden sein sollen. Zehn Vilsecker sind dort, darunter sein Cousin und sein Vater. In Todesangst hatten sie es aus dem Tunnel geschafft – in der Sorge, die brennende Bahn könnte sich lösen, nach unten rauschen und sie mitreißen.

Hiltel hofft, dass noch mehr Bekannte im Krankenhaus eintreffen. „Ich war der Letzte“, sagt sein Cousin. Es kommt niemand mehr. Auch Hiltels Freundin ist unter den Toten. Er ist bewegt, als er nach 20 Jahren die Ereignisse schildert. Die Situation im Hotel an jenem Abend sei kaum in Worte zu fassen. Die Menschen umarmen einander lachend und weinend aus Freude über jeden Überlebenden. Zugleich herrscht Verzweiflung angesichts der Toten.

Am nächsten Tag wird im Reisebus die Katastrophe auf schier unerträgliche Weise deutlich: Fast die Hälfte der Sitzplätze ist leer. „Wir haben den hinteren Teil mit einer Decke abgehängt, damit man das nicht so sieht“, sagt Hiltel. Zurück in Vilseck sind Hilfsbereitschaft und Anteilnahme riesig. Wochenlang leuchtet in fast jedem Haus in einem Fenster ein Totenlicht. Es gibt Sammlungen und Benefizaktionen – und irgendwann auch Neid angesichts der Spenden, wie Hiltel sagt. Dabei könne doch kein Geld der Welt ein Menschenleben ersetzen. UTE WESSELS

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