Fertigungsstopp? „Dann nehmen die Probleme dramatisch zu“

von Redaktion

Top-Ökonomen warnen vor verschärftem Lockdown für die Wirtschaft – Ermutigende Signale von der Bundesbank

München – Die Automobilindustrie warnt davor, die Fertigung neuer Fahrzeuge zu stoppen, um damit die Infektionszahlen zu senken. „Bei Autozulieferern und Herstellern gibt es bisher keine Infektionsherde und höchste und umfassende hohe Hygienestandards“, sagte Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie, dem „Handelsblatt“. Stünde die Automobilfertigung in Deutschland still, würden Produktions- und Lieferketten nicht nur in Europa, sondern sogar weltweit unterbrochen. Die Probleme würden bei einem Fertigungsstopp dramatisch zunehmen. „Die Autoproduktion trägt einen wichtigen Anteil dazu bei, das Einkommen vieler Menschen zu sichern und ist damit auch Voraussetzung für die Finanzierung der Aufgaben des Staates, besonders hinsichtlich der Abtragung der immensen Staatsschulden, die sich durch die Folgen der Corona-Pandemie noch einmal erheblich erhöht haben“, sagte Müller.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat sich zuletzt dafür stark- gemacht, Industrieunternehmen stillzulegen, die nicht lebensnotwendig sind. Auch Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery hält eine „zeitweilige Stilllegung einzelner Fertigungsbereiche“ für gerechtfertigt, um die Pandemie einzudämmen.

Mehrere Top-Ökonomen warnen vor solchen Ideen. Marcel Fratzscher ist Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. „Eine Zwangsschließung von Unternehmen würde nicht nur die unmittelbar betroffenen Unternehmen hart treffen“, sagte er dem „Spiegel“, „sondern könnte die Lieferketten unterbrechen und damit erhebliche Kosten für die gesamte Wirtschaft verursachen.“ Ähnlich sieht es Gabriel Felbermayr, der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW): „Würde man in einem großen Stil die Produktion lahmlegen, hätte das gravierende Folgen für die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr.“

Die IG Metall wendet sich kategorisch gegen Überlegungen, die Industrieproduktion vorübergehend herunterzufahren. „Dann würde unsere Wirtschaftskraft zusammenbrechen“, sagte Gewerkschaftschef Jörg Hofmann der „Augsburger Allgemeinen“. „Wir müssen – so weit es geht – die industrielle Produktion fortsetzen, weil so Wertschöpfung und Einkommen für viele Menschen entsteht. Die Finanzierung unseres Sozialstaats kommt nicht aus der Steckdose.“

Trotz vieler Branchen, die kriseln, und Pleiteangst – die deutsche Wirtschaft beweist nach Einschätzung der Bundesbank ihre Widerstandsfähigkeit. Es gebe „ermutigenden Signale“, die darauf hoffen ließen, „dass auch die zu Beginn des neuen Jahres verlängerten und noch weiter verschärften Einschränkungen die wirtschaftliche Erholung nicht allzu weit zurückwerfen“, schreibt die Notenbank in ihrem Monatsbericht Januar. Allerdings darf es keinen totalen Lockdown geben.

„Dass es zu keinem größeren konjunkturellen Rückschlag kam“, heißt es, liege unter anderem daran, „dass einige nicht unmittelbar durch die Maßnahmen betroffene Wirtschaftsbereiche sich weiter erholten“. Dabei sei vor allem die Industrie zu nennen. sts/afp

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