„Nachhaltigkeit muss man wollen“

von Redaktion

INTERVIEW Reinhold Messner fordert seine Heimatregion Südtirol auf, die vielen Gäste besser zu verteilen

Der Südtiroler Reinhold Messner (77) ist nicht nur Extrembergsteiger, Abenteurer und Museumsgründer. Er mahnt auch immer wieder zum rücksichtsvollen Umgang mit der Natur. Auch was den Tourismus in seiner Heimat betrifft.

Südtirol will beim Tourismus die Reißleine ziehen, ist das notwendig?

Der Tourismus bei uns in Südtirol läuft aus dem Ruder, das wissen wir seit Jahren. Auch wenn viele Einheimische von den Gästen leben, vielen ist der Ansturm zu extrem. 2019, der Sommer vor der Pandemie, hat alle Rekorde gebrochen. Die Landesregierung tut deshalb gut daran, sich jetzt Gedanken über unsere Zukunft zu machen. Allerdings ist der ursprüngliche Ansatz eines generellen Bettenstopps zu kurz gedacht.

Inwiefern?

Mit einem generellen Bettenstopp hätte man die Täler bestraft, die bislang nicht nur auf Tourismus gesetzt und keine Bettenburgen hochgezogen haben. Diese hätten so künftig keine Möglichkeit mehr gehabt, zu investieren. Das hätte beispielsweise das Villnößer Tal betroffen, aus dem ich stamme. Dort geht es noch meist beschaulich zu.

In manchen Tälern bleibt aber nichts hängen.

Ich nenne das Picknick-Tourismus. Das bedeutet, die Menschen reisen in großen Scharen mit dem Auto an, verstopfen die vorhandenen Parkplätze und stürmen die Almen, Aber viel bleibt von den Besuchern im Tal nicht hängen. Ein Beispiel ist der Adolf-Munkel-Weg, ein eigentlich imposanter Wanderweg, der an einem Sommertag aber völlig überlaufen ist.

Wie müsste Ihrer Meinung nach der Ansatz aussehen?

Die Menschen kommen nach Südtirol, weil sie unsere Landschaft lieben und auf der Suche nach Stille und Entschleunigung sind. Das können wir ihnen aber immer weniger bieten. Die Täler sind für den großen Ansturm nicht gemacht. Ich denke da insbesondere an das Pustertal im Sommer. Dort sind die Straßen stets überfüllt. In der Vergangenheit sind viele Fehler gemacht worden. Gerade beim Thema Verkehr. Deshalb muss der Ansatz ein völlig anderer sein. Im Idealfall reisen die Gäste noch mit dem eigenen Auto an und können es während des Urlaubs komplett stehen lassen, weil sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind. Hier ist die Zusammenarbeit wiederum mit den Hoteliers wichtig, die die Gäste gleich bei der Ankunft über die nachhaltige Mobilität informieren.

Ein schwieriges Unterfangen…

Nachhaltigkeit muss man wollen. Südtirol muss seine Gäste besser verteilen und insgesamt eine höhere Qualität liefern, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Dazu gehört auch eine große Portion Ehrlichkeit.

Welche Maßnahmen könnten Sie sich konkret vorstellen, um den Tourismus besser zu kanalisieren?

Wir müssen vermehrt auf das Thema Nachhaltigkeit und Gesundheit setzen. Beispielsweise aufs Fahrradfahren. Ich könnte mir vorstellen, eigene Wege für sie auszuweisen. Denkbar ist auch, dass man ganze Passstraßen stundenweise für Autos sperrt und dort nur Fahrradfahrer unterwegs sein dürfen. Das wäre für viele Touristen attraktiv.

Was macht aus Ihrer Sicht den Reiz Südtirols aus?

Die traumhafte Landschaft der Dolomiten in Kombination mit kulinarischen Genüssen Italiens. Das ist einzigartig. Aber wir dürfen uns darauf nicht ausruhen. Wir müssen den Tourismus in seiner jetzigen Form weiterentwickeln, damit wir weiter zu den attraktiven Tourismusregionen gehören.

Interview: Stephanie Ebner

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