München – Ein Student der Ludwig-Maximilians-Universität geht mit einer Schreckschusspistole zur Vorlesung – und das ganz legal. Der Vorfall von vor drei Wochen hat für Unruhe bei der Studentenschaft und bei Uni-Mitarbeitern gesorgt. Andere Hochschulen reagierten bereits, nun hat auch die LMU ihre Hausordnung geändert. Präsident Prof. Dr. Dr. Bernd Huber erklärt, was sich für die Studenten ändert – und warum seine Uni länger gezögert hat als andere Hochschulen.
Was war Ihr erster Gedanke, als Sie von dem Vorfall im Audimax erfuhren?
Ich war heilfroh, dass da nichts Schlimmeres passiert ist. Es hätte ja eine Panik ausbrechen können. Der Audimax war voll, das wäre schrecklich gewesen. Ich war erleichtert, dass alle Beteiligten so schnell und besonnen reagiert haben.
Gab es mit dem Studenten ein Nachgespräch?
Der Leiter unseres Liegenschaftsdezernats wollte das Gespräch mit dem Studenten suchen. Der ist allerdings am nächsten Tag nicht zur Vorlesung erschienen und hat dann ein Schreiben bekommen.
Drohen ihm vonseiten der Uni Konsequenzen?
Nein, von unserer Seite nicht. Aber möglicherweise von der Staatsanwaltschaft oder dem zuständigen Landratsamt. Aber das muss dort entschieden werden.
Wie war denn die Stimmung unter den Studenten nach dem Vorfall?
Zunächst herrschte große Unsicherheit. Auch bei mir, ich bin sofort zum Hauptgebäude, als ich von dem Polizeieinsatz erfahren habe, um mir persönlich ein Bild der Lage zu verschaffen. Danach haben wir sowohl von Studierenden wie von Dozentinnen und Dozenten Rückmeldungen bekommen, die sich große Sorgen gemacht haben. Ich kann nachvollziehen, dass das ein belastendes Erlebnis war. Der Vorfall macht deutlich, dass die von allen geschätzte Idee einer freien, offenen Uni, an der jeden Tag tausende von Menschen ein und aus gehen, leider auch sehr fragil ist.
Gab es andere Vorfälle dieser Art an der LMU?
Nein. Ich bin jetzt 20 Jahre Präsident, ich habe das – Gott sei Dank – noch nie erlebt. Das war für uns völliges Neuland. Es gibt einige Universitäten, Erlangen zum Beispiel, die schon ein Waffenverbot haben. Viele Universitäten, darunter auch wir, hatten das nicht. Weil wir bislang der Meinung waren, das in Deutschland geltende Waffengesetz reicht hier völlig aus. Allein der Gedanke von Waffen an der Uni war für mich relativ abwegig.
Welche Konsequenzen ziehen Sie nun aus diesem Vorfall?
Wir haben in den letzten Wochen viele Gespräche geführt und rechtliche Fragen geprüft. Schließlich hat am Montagabend die Erweiterte Hochschulleitung getagt. Wir waren uns grundsätzlich schnell einig, dass wir ein Waffenverbot an der Universität haben wollen. Dieser Wunsch kam im Übrigen auch so aus den einzelnen Fakultäten. Entsprechend haben wir unsere Hausordnung geändert. Diese aktualisierte Hausordnung gilt ab sofort und ist auf unserer Webseite bereits veröffentlicht.
Was haben Sie geändert?
Wir gehen über das Waffengesetz hinaus und haben nun ein generelles Waffenverbot eingeführt. Das heißt: Selbst wer einen Waffenschein hat, darf keine Waffe mehr mit in die Uni bringen. Rechtlich und inhaltlich war das nicht ganz einfach, weil man Ausnahmen regeln muss. Wenn etwa der Bundespräsident an der LMU zu Gast ist, dann können wir ja wohl kaum seinen Leibwächtern verbieten, eine Waffe zu tragen. Dann gibt es zum Beispiel Spezialfragen zu Chemikalien, die in der Forschung und Lehre benötigt werden. Und die zweite Frage ist natürlich: Wie setzt man so ein Verbot praktisch um?
Drohen den Studenten jetzt Einlasskontrollen?
Nein. Die Uni ist ein offener Ort und soll es auch bleiben. Einlasskontrollen wollen wir auf keinen Fall. Das würde den Charakter unserer Universität grundlegend verändern. Auch wenn es international übrigens keine Selbstverständlichkeit ist, dass jeder freien Zugang zur Uni hat. Wir wollen das aber beibehalten. Dafür haben wir schon seit Langem einen Sicherheitsdienst, der ab sofort auch Kontrollen durchführen kann, um zu prüfen, ob das Waffenverbot an der LMU eingehalten wird. Ich glaube und hoffe aber, dass dieser Vorfall ein Einzelfall bleibt.
Was droht Studenten bei Verstößen?
Wenn jemand offen eine Schusswaffe trägt, werden wir sofort die Polizei informieren. So war es in diesem Fall ja auch. Bei Unsicherheiten kann der Sicherheitsdienst auch mal bitten, ob man einen Blick in die Tasche werfen darf. Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, bei Verstößen Hausverbote auszusprechen.
Bleibt ein Pfefferspray zum Selbstschutz erlaubt?
Ja, solange die handelsübliche Aufschrift „Zur Tierabwehr“ darauf ist. Genau wegen solcher Detailfragen hat es übrigens etwas länger gedauert, unsere Hausordnung zu ergänzen.
Der Vorfall ist drei Wochen her. Aus der Studentenschaft gab es Proteste und Kritik, die Hochschulleitung ducke sich weg. Andere Unis wie die TUM haben sofort reagiert. Warum hat es an der LMU so lange gedauert?
An der TUM hat die Hochschulleitung dem Vernehmen nach von sich aus ein Verbot angekündigt. Wir haben einen anderen Weg gewählt: Wir wollten das nicht von oben erlassen, sondern nach einer gründlichen rechtlichen Prüfung mit der Erweiterten Hochschulleitung besprechen. Da sind die Dekaninnen und Dekane der Fakultäten dabei, Studierende sowie wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und die Hochschulleitung. Wir sind eine sehr heterogene Universität mit 18 Fakultäten und über 50 000 Studierenden, deswegen war es uns wichtig, in diesem Entscheidungsprozess alle mitzunehmen.
Waren Sie überrascht, dass von den Studenten sofort lauter Protest kam?
Nein, ich kann das schon verstehen. Auch, dass hier eine schnelle Lösung gewünscht war. In der Sache waren wir aber gar nicht weit auseinander. Dem ein oder anderen hat es vielleicht etwas zu lange gedauert. Aber ich glaube, dass wir eine sehr gute Lösung gefunden und jetzt auch schon umgesetzt haben. Und dass sich Studierende und Hochschulleitung mal aneinander reiben, das gehört dazu. Das muss man als Präsident aushalten.
Das Gespräch führten Wolfgang Hauskrecht und Dominik Göttler