München – Anders als alkoholfreier Wein, der noch ein Nischendasein fristet, ist alkoholfreies Bier längst zu einem wichtigen Standbein vieler Brauereien geworden. „Es hat sich in den letzten Jahren sehr stark entwickelt“, sagt Walter König, Sprecher des bayerischen Brauerbunds. „Die Verfahren sind mittlerweile so ausgereift, dass alkoholfreie Biere sehr gut schmecken. Es gibt sogar Leute, die das lieber trinken.“
Während der Pro-Kopf-Bierkonsum in Deutschland seit Jahren stetig sinkt, ist der Marktanteil der Alkoholfreien in den vergangenen Jahren weiter gewachsen – allerdings zum Teil auf Kosten der Leichtbiere. Eine Studie des Marktforschungsunternehmens Nielsen, die allerdings nicht den gesamten Markt abdeckt, weist für 2021 bundesweit einen Alkoholfrei-Anteil von 7,1 Prozent aus. Der Bayerische Brauerbund bezifferte den Ausstoß bayerischer Brauereien auf 1,927 Millionen Hektoliter alkoholfreies Bier, was einem Anteil von 7,6 Prozent an der gesamten bayerischen Bierproduktion entspricht. Den Löwenanteil vom 63,15 Prozent nehmen dabei obergärige, in Bayern meist Weißbiere, ein, gefolgt von Hellem beziehungsweise Pils und dem wachsenden Segment der Mischgetränke wie Radler. „Da gibt es immer wieder Innovationen“, berichtet König.
Dass der Absatzeinbruch während der Pandemie die alkoholfreien Biere besonders stark traf, führt König darauf zurück, „dass die Leute nicht unterwegs sein mussten. Und im Homeoffice stand vielleicht auch öfter mal ein Bier mit Alkohol auf dem Tisch.“ Inzwischen sei der Anteil wieder auf dem gleichen Niveau wie vor der Pandemie.
Anders als beim Wein, dem der Alkohol im Nachhinein entzogen wird, versuchen die Brauer beim alkoholfreien Bier, den Alkohol gar nicht erst entstehen zu lassen. „Bei einem Alkoholgehalt von unter 0,5 Prozent wird die Gärung gestoppt, indem man die Hefe entzieht“, beschreibt König das am weitesten verbreitete Verfahren. Dabei komme den Brauern die Tatsache entgegen, dass die Hefe die typischen Geschmacksstoffe ganz am Anfang der Gärung erzeugt. Auch besondere Hefen, die wenig Alkohol erzeugen, sowie Destillations- und Osmoseverfahren kämen oft ergänzend zum Einsatz.
Dass das Ergebnis sich geschmacklich meist vom normalen Bier abhebt, will König nicht abstreiten. Doch das müsse kein Nachteil sein. „Die Craftbier-Szene hat da viele Türen geöffnet“, sagt der Verbandssprecher. Craftbiere hätten die Geschmackspalette des Bieres erweitert. Und so gebe es für alkoholfreies Bier heute eine Zielgruppe, die König so beschreibt: „Sie erwarten ein bierähnliches isotonisches Getränk, das durchaus seinen eigenen Charakter haben darf.“ PETER T. SCHMIDT