München – „Wir haben es selbst in der Hand, unsere Messwerte zu verbessern – in vielen Fällen sogar ohne Tabletten“, sagt der Münchner Präventionsmediziner Prof. Martin Halle vom Uniklinikum rechts der Isar. Der Effekt sei weitaus größer, als viele Menschen denken.
Die Zauberworte heißen Ernährung, Bewegung und Lebenswandel. Wichtige Stellschrauben im Alltag, denn Bluthochdruck gilt als Volkskrankheit der Superlative: Etwa 20 bis 30 Millionen Deutsche sind betroffen, in der Altersgruppe 70 plus haben drei von vier Senioren kritische Werte. Erhöhter Blutdruck (Hypertonie) führt weltweit zu 9,4 Millionen Todesfällen, berichtet das Robert-Koch-Institut. Konkrete Zahlen für Deutschland gibt es nicht, aber unstrittig ist: Bluthochdruck ist einer der größten Risikofaktoren für todbringende Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Die Gefäßschäden entstehen schleichend
Als optimal gilt ein Blutdruck von 120/80 mmHG. Die Abkürzung mmHg ist die Maßeinheit für den Blutdruck. Erst ab 140/90 sprechen Ärzte bei Erwachsenen von einer milden Hypertonie, im weiteren Verlauf wird das Ausmaß der Erkrankung in drei Schweregraden bemessen. Schon gering erhöhte Messwerte können auf Dauer gefährlich sein. Das haben zahlreiche Studien gezeigt.
So analysierten chinesische Wissenschaftler die Daten von 760 000 Patienten. Ergebnis: Die Herzinfarktgefahr verdoppelt sich nahezu schon bei Werten zwischen 130/85 und 139/89. Bei Patienten mit milder Hypertonie (120/80 bis 140/90) stieg das Schlaganfallrisiko statistisch um 66 Prozent. „Trotzdem nehmen viele Menschen ihre erhöhten Messwerte auf die leichte Schulter“, sagt Halle. „Bluthochdruck verursacht lange Zeit keine Beschwerden. Die Schäden am Gefäßsystem entstehen schleichend, sie entwickeln sich über zehn bis 15 Jahre. Wenn sie entdeckt werden, sind sie oft weit fortgeschritten.“
Damit es nicht so weit kommt, nehmen viele Menschen Medikamente. Experten schätzen, dass Hypertoniker in Deutschland jedes Jahr über 15 Milliarden Tabletten schlucken. Damit schaffen es drei von vier Patienten, ihre Werte in den Griff zu bekommen. „Mit einer klugen Behandlungsstrategie aus Medikamenten und Lebensstilveränderungen lässt sich der Blutdruck sogar von sehr hohen Werten in den Normalbereich drücken“, sagt Halle.
Insbesondere die Ernährung hat einen entscheidenden Einfluss. Im Alter kann speziell ein zu hoher Salzkonsum das Zünglein an der Waage sein. „Salz gelangt in die Blutbahn und bindet Wasser. Dadurch steigt das Blutvolumen und als Folge der Blutdruck“, erklärt Halle. Viel Salz steckt in Wurst, Käse und in Brot. „Schon zwei Scheiben Vollkornbrot decken den Salzbedarf eines ganzen Tages“, warnt Halle. Salzärmere Backwaren sind aber schwer zu bekommen. Menschen mit kritischem Blutdruck empfiehlt Halle, den Konsum einzuschränken, zumindest an einem Tag in der Woche auf Wurst, Käse und Brot zu verzichten. Ebenso wichtig ist Bewegung. „Man kann die Blutgefäße trainieren“, erklärt Halle: „Wenn man sich bewegt, zirkuliert das Blut stärker und schneller im Körper. Es streicht an den Gefäßwänden vorbei, fördert dadurch ihre Elastizität.“ Entscheidend dabei ist die Regelmäßigkeit. Lieber öfter kürzer trainieren. Sechsmal zehn Minuten Bewegung, sagt Halle, bringen laut Studien mehr als zweimal 30 Minuten. Geeignet ist etwa schnelles Gehen oder zügiges Radeln, Skilanglauf oder Schlittschuhlaufen. Wie bei allem gilt: Nicht übertreiben. „Maßvoll trainieren, Belastung langsam steigern“, rät Halle. Wer mit dem Sporteln beginnen will, sollte sich zuvor vom Arzt durchchecken lassen.
Für Bewegung ist man nie zu alt – nicht mal im Seniorenheim. Dort erforschen Wissenschaftler der TU München gerade, wie effektiv regelmäßiges Training bei Hochbetagten ist. Schon nach wenigen Wochen Training, sagt Halle, könne der Blutdruck um etwa zehn mmHg sinken. Oft purzeln dabei überflüssige Pfunde. „Wer den ersten Schritt macht, hat schon gewonnen“, sagt Halle.
Auch Fitte können an Hypertonie erkranken
Aber auch Dünne oder gut trainierte Hobby- und Leistungssportler sind nicht vor Bluthochdruck gefeit. „Es kommt vor, dass die Messwerte im Ruhezustand passen, aber unter Belastung viel zu hoch sind“, sagt Halle. Dass Durchtrainierte Bluthochdruck haben, könne an einer Schilddrüsenüberfunktion sowie an Fehlfunktionen der Nieren und/oder Nebennieren liegen. „In manchen Fällen findet sich auch gar kein organischer Grund. Die Entstehung von Hypertonie ist trotz vieler Erkenntnisse immer noch nicht vollständig entschlüsselt“, berichtet der Wissenschaftler.
Neben Ernährung und Bewegung ist der Lebenswandel ein wichtiger Faktor. Vor allem Stress und Schlafmangel sind Gift für den Blutdruck. „Die erhöhten Stresshormone führen zu schnellerem Puls, kräftigerem Zusammenziehen des Herzmuskels und einer Verengung der Gefäße im Körper. Alles Faktoren, die den Blutdruck erhöhen“, erläutert Halle. Bei Schlafmangel kann Schnarchen eine Rolle spielen. Atemaussetzer können zu extremen Blutdruckerhöhungen während der Nacht führen, warnt Halle. In Studien habe sich gezeigt, dass Atemaussetzer das Risiko für einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt enorm erhöhen können.