„Formula Student“: Von null auf Experte in einem Jahr

von Redaktion

In der Rennserie tummeln sich künftige Ingenieure und Leistungsträger – gut für Konzerne wie BMW, die hier auf Personalsuche sind

Geht es noch schneller? Das FH-Team schraubt an seinem Rennwagen. Mit dabei: Veronique Daxl (3.v.l.). © Foto: BMW

Kurz vor dem Start: Das Team der FH München auf der Teststrecke zwischen Maisach und Fürstenfeldbruck. © Andreas Höß

Maisach – Veronique Daxl von der FH München steht in einem bombensicheren Hangar auf dem alten Luftwaffen-Flugfeld zwischen Maisach und Fürstenfeldbruck. Früher waren hier Starfighter-Jets stationiert, heute hat BMW auf dem Gelände eine Teststrecke. Veronique und ihr Team stehen um ein elektrisches Rennauto, das wie ein geschrumpfter Formel-1-Wagen aussieht, und checken Fahrdaten. Draußen dreht ein ähnliches Exemplar der TU Dresden gerade fahrerlos zwischen Pylonen seine Runden. „Schon verrückt“, sagt die Studentin. „Vor ein paar Monaten haben wir mit einem weißen Blatt Papier angefangen.“ Nun steht das Team um ein fertiges Fahrzeug. Dessen Beschleunigung von null auf hundert: etwa eine Sekunde.

Veronique und ihr Rennteam von der FH München sind Teil eines weltweiten Studentenprojektes: In der „Formula Student“ basteln rund 600 Uni-Teams aus 20 Ländern an Rennautos. Die meisten Renner sind elektrisch, einige fahren selbstständig, alle sind komplett selbst entwickelt und gebaut. Die Teams müssen einen Finanzplan und einen Konstruktionsplan vorlegen und treten in verschiedenen Disziplinen an: etwa in einem Ausdauerrennen, beim autonomen Fahren oder bei einem Beschleunigungstest. Unterstützt werden sie dabei von Mentoren und Sponsoren. Für die Studenten ist das eine riesige Herausforderung – und für die Autoindustrie ein echter Glücksfall. Der Prozess, den die Studenten durchlaufen, bis die Rennautos fertig sind, ähnelt dem in der Industrie. Die Firmen rekrutieren hier deshalb ihre Leistungsträger der Zukunft.

Die Industrie schaut aufmerksam zu

In Veroniques Münchner Team sind etwa 45 Studentinnen und Studenten, 15 davon im Kernteam. Viele kommen aus Fächern wie Maschinenbau, Elektrotechnik, Informatik oder Robotik. Veronique selbst studiert Consumer Science und ist als Teamleiterin für die Organisation des Teams zuständig – vom Budget über die Sponsoren und Arbeitseinteilung bis zur Planung der Tests und Reisen zu den Wettbewerben. Das Studium hat sie deshalb wie die meisten Kollegen für ein Semester auf Eis gelegt. „Jeder im Kernteam arbeitet zwölf Stunden am Tag für das Projekt, das geht nicht nebenher“, sagt Veronique. Doch die Erfahrung, die sie hier mache, sei extrem wertvoll, der Lerneffekt riesig. „Die Verantwortung ist viel größer als bei jedem Praktikum.“

Und auch die Karrierechancen sind es. Auf der BMW-Teststrecke in Maisach sind heute vier Teams von der FH München, der ETH Zürich, der TU Dresden und der TU Wien unterwegs. Sie alle werden von BMW gesponsert, der Münchner Konzern ist auch Mitgründer der Serie und das Designteam des Dax-Konzerns hat mitgeholfen, dem Auto der FH München ein gutes Aussehen zu geben.

BMW engagiere sich in der Formula Student, „um engagierte Nachwuchs-Ingenieurinnen und -Ingenieure zu unterstützen und sie früh für uns zu begeistern“, betont Ilka Horstmeier, Personalchefin von BMW. Allein BMW stellt pro Jahr etwa zehn Studenten aus der Rennserie fest ein und bietet vielen weiteren Praktika und Projektarbeiten an. Andere Firmen machen das ähnlich. Auch Tesla aus den USA oder Nio aus China sind als Sponsoren in der Serie. Allein das Team von Veronique hat rund 120 Unterstützer, neben BMW etwa die Autozulieferer Bosch und Webasto, der Roboterbauer ABB, der Mischkonzern Siemens, der Nutzfahrzeughersteller MAN oder Knorr Bremse, der Weltmarktführer bei Bremssystemen.

Selbst gestandene Rennfahrer staunen

Was die Profis von den Amateuren zu sehen bekommen, ist jedenfalls äußerst beeindruckend. So hat die ETH Zürich mit ihrem Fahrzeug unlängst einen Beschleunigungsrekord auf 100 km/h geknackt und ist als erstes Fahrzeug der Welt unter einer Sekunde geblieben. Möglich haben das vier selbst entwickelte E-Motoren in den Radnaben und eine Art Staubsauger im eigens gebauten Chassis gemacht. Er saugt das Fahrzeug an die Fahrbahn und verhindert so, dass es abhebt. „Die Autos sind viel zu schnell und so gut, dass sie ein normaler Mensch gar nicht mehr ans Limit bringt“, lobt BMW-Werksfahrer Bruno Spengler, der schon die DTM gewonnen hat und in Le Mans gefahren ist und nun interessiert neben dem Flugfeld in Maisach steht. „Die jungen Leute arbeiten extrem professionell.“

Ob sie ihr hier erworbenes Wissen später einmal in den Dienst der Autoindustrie stellen wollen? Viele Studenten hier werden das tun und auch Veronique von der FH München ist alles andere als abgeneigt. „Ich bin eher zufällig zum Projekt gekommen und habe mich früher auch nie für Autos interessiert“, erzählt sie. „Doch das hat sich definitiv geändert.“
ANDREAS HÖSS

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