Lebensversicherungen

Wenn die Police verkauft wird

von Redaktion

Von Sebastian Hölzle

Große Versicherer wie Ergo und Generali haben kürzlich bekannt gegeben, aus dem Geschäft mit Lebensversicherungen aussteigen zu wollen. Die Altverträge sollen an Investoren verkauft werden. Das Vorgehen an sich ist nicht neu. Kleinere Versicherer wie Arag haben das bereits hinter sich – mit großen Versicherern wie Ergo hat der Verkauf von Altverträgen aber eine neue Dimension erreicht. Viele Kunden fragen sich vor allem, wie es jetzt mit den Überschussbeteiligungen weitergeht. Über die Höhe dieser Überschussbeteiligung entscheiden Versicherer jedes Jahr je nach Wirtschaftslage und Anlagestrategie neu. Hinzu kommt der vom Bundesfinanzministerium festgelegte Garantiezins. Beides zusammen ergibt die laufende Verzinsung.

-Warum wollen die Gesellschaften ihre Lebensversicherungen überhaupt loswerden?

Die Versicherungen leiden unter der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Den Lebensversicherern fällt es zunehmend schwer, die Zinsen für die hohen Garantieversprechen der Vergangenheit von bis zu vier Prozent am Kapitalmarkt zu erwirtschaften. Nun wollen manche ihre Altverträge loswerden.

-Wie funktioniert so ein Verkauf überhaupt?

Dabei gibt es zwei Wege: Der Versicherer überträgt alte Bestände samt Eigenmitteln und Kapitalanlagen an ein Abwicklungsunternehmen, das diese weiterführt und alle Rechte und Verpflichtungen übernimmt. Oder die Lebensversicherungssparte samt Mitarbeitern wechselt den Eigentümer.

-Werden andere Lebensversicherer dem Beispiel von Ergo und Generali folgen?

Nein, nicht zwingend. So schließt beispielsweise die R+V Versicherung einen Verkauf ihrer Lebensversicherungsbestände definitiv aus. „Dies ist für uns absolut kein Thema“, hat der Vorstandschef der R+V Lebensversicherung bereits klargemacht.

-Warum interessieren sich Käufer überhaupt für die Altbestände?

Die Käufer sind davon überzeugt, kostensparender zu arbeiten als die alten Versicherer. „Die neuen Eigentümer der Versicherungssparten sind oft Finanzinvestoren, die auf eine schlanke Organisation und eine leistungsstarke IT im Hintergrund setzen – und auf Kostenvorteile durch den Wegfall des Neugeschäfts“, beobachtet die Verbraucherzentrale Hamburg.

-Welche Folgen hat das für die Kunden?

Da die Verträge einfach weiterlaufen, können auch Abwickler keinesfalls Garantien antasten oder bereits gezahlte Überschussbeteiligungen zurückfordern. Wie es mit künftigen Überschussbeteiligungen aussieht, lässt sich aber nicht abschätzen. „Sollten die Abwickler tatsächlich durch weniger Personal und mehr IT Kostenvorteile erzielen, so müssten sie ihre Versicherten eigentlich an den daraus resultierenden Überschüssen beteiligen“, heißt es bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Dennoch sind die Verbraucherschützer skeptisch. Sie nehmen an, dass die Investoren vor allem Geld verdienen wollen. „Und so befürchten wir, dass sie das Geld lieber in die eigene Tasche stecken und die Verbraucher am Ende in die Röhre gucken.“ Ob sich die Befürchtungen bewahrheiten oder sich ein solcher Verkauf durch die schlanke Organisationsstruktur für Verbraucher sogar als Segen erweist, lässt sich endgültig zum derzeitigen Zeitpunkt aber nicht beantworten.

-Welche Käufer sind am Markt bislang in Erscheinung getreten?

Die Verbraucherzentrale nennt vier Beispiele:

Viridium, eine Abwicklungsplattform, die überwiegend einem britischen Investor gehört, hat den Versicherungsbestand der Skandia übernommen und Teile des Bestandes von Protektor. Protektor ist laut den Verbraucherschützern eigentlich eine Sicherungseinrichtung der deutschen Lebensversicherer, die vor Jahren schon Verträge der in Schieflage geratenen Mannheimer-Versicherung aufgekauft hat.

Die Frankfurter Leben, die zu einem chinesischen Konzern gehört, hatte zuletzt Teile der Basler Leben übernommen und kürzlich Bestände der Arag Leben.

Die Generali, einer der größten Lebensversicherer in Deutschland, prüft den Verkauf ihrer Bestände an spezialisierte Abwickler. Alte Generali-Verträge, zum Beispiel von der Volksfürsorge, sollen abgewickelt werden. Das Neugeschäft übernimmt der Finanzvertrieb DVAG aus Frankfurt. Die DVAG könne man aber „nicht gerade als Verbraucherschützer bezeichnen“, warnt die Verbraucherzentrale.

Die Hamburg-Mannheimer des Ergo-Konzerns soll an einen chinesischen oder britischen Investor verkauft werden. Ein amerikanischer Hedgefonds ist ebenfalls im Gespräch.

-Sind die neuen Käufer seriös?

Den Weiterverkauf von Altpolicen muss die Finanzaufsicht Bafin genehmigen. „Die einzige Sicherheit, die Kunden derzeit haben, ist die Tatsache, dass sich die Bafin die Verkäufe von Lebensversicherungsbeständen sehr genau anschaut“, sagt Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg.

-Nach welchen Kriterien prüft die Bafin?

Die gute Nachricht für Verbraucher: Im Mittelpunkt der Prüfung steht die Erfüllbarkeit der Verträge. Die Bafin achte auf die „dauernde Erfüllbarkeit der eingegangenen Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen“ und hierbei insbesondere auf die „Solvabilität sowie die langfristige Risikotragfähigkeit des Versicherers“. Anders formuliert: Die Versicherungsaufseher wollen genau wissen, ob die Investoren mit ausreichend Eigenmitteln ausgestattet sind, auch werde unter anderem die Bildung ausreichender Rückstellungen untersucht.

-Steigt für Kunden nicht trotzdem das Risiko?

Die Aufseher gehen nicht davon aus. Die Bafin schränkt aber ein, dass die Einschätzung nur für den aktuellen Zeitpunkt gilt. Die Aufsichtsbehörde stimme einer Bestandsübertragung nur dann zu, „wenn sie nach eingehender Prüfung vom Zeitpunkt der Entscheidung ausgehend davon überzeugt ist, dass die Versicherungsnehmer hierdurch keinem erhöhten Risiko ausgesetzt werden“.

-Können Kunden Einspruch gegen den Verkauf ihrer Lebens- versicherung einlegen?

Nein, diese Möglichkeit besteht nicht. „Da sich Betroffene nicht gegen den Verkauf ihrer Versicherung wehren können, empfehlen wir, eine Beschwerde an die Aufsichtsbehörde Bafin zu richten“, empfiehlt Becker-Eiselen.

-Wie geht es jetzt weiter?

„Wohin die Reise geht, weiß derzeit niemand“, sagt Becker-Eiselen. Letztlich bleibe Kunden nichts anderes übrig, als selbst zu entscheiden, ob sie dem neuen Käufer vertrauen oder nicht. Überstürzt handeln sollte man aber nicht: Falls Kunden dennoch unsicher sind, ob sie in ihrem Vertrag bleiben sollen, empfehlen die Verbraucherschützer, sich erst einmal unabhängig beraten zu lassen.

-Falls Kunden doch beschließen, ihren Vertrag zu beenden: Ist eine Kündigung der letzte Ausweg?

Nein, nicht zwingend. „Die letzte Notbremse ist nicht nur die Kündigung. Wurde der Vertrag zwischen 1995 und 2007 abgeschlossen, ist womöglich ein Widerspruch möglich“, erklärt Becker-Eiselen. Ein Widerspruch sei für die Kunden meist besser, weil die Versicherungen den Kunden auch das auszahlen müssen, was sie an den Verträgen verdient hätten. Nähere Informationen und Formulare hat die Verbraucherzentrale im Internet bereitgestellt (www.bit.ly/2xSMAuB).

-Kleine Dienstleister werben damit, die Rückabwicklung von Lebensversicherungen zu organisieren und locken mit Sofortauszahlungen. Ist das seriös?

Meist kommen Kunden bei Inanspruchnahme der Dienstleistungen schlecht weg: Die Verbraucherzentrale kommt zu dem Ergebnis, dass der Verbraucher allein beziehungsweise mit eigenem Anwalt gleiche oder teilweise sogar bessere Ergebnisse erzielen könnte.

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