Nur nachgebesserte Abgas-Software oder doch Umbauten an Motor und Katalysator? Nur Geld für bessere Infrastruktur oder doch noch mehr Investitionen in saubere Fahrzeuge? Und wer soll das alles bezahlen? Die Autobauer? Oder am Ende der Steuerzahler? In der Debatte um eine Verringerung von Luftschadstoffen durch ältere Dieselautos gibt es viele Vorschläge – und Unklarheiten. Versprechungen der Autobauer konnten bisher teils nicht umgesetzt werden. Doch die Zeit drängt: Am kommenden Donnerstag, 22. Februar, dürfte das Bundesverwaltungsgericht den Rahmen zur Frage abstecken, ob Fahrverbote rechtlich durchsetzbar sind. Wo stehen die Hersteller bei ihren Maßnahmen? Welche Vorschläge stehen aktuell im Raum?
Software
VW und Töchter wie Audi, Seat oder Skoda wurden nach dem Auffliegen von „Dieselgate“ verpflichtet, neue Abgas-Software in Autos zu installieren, deren Schadstoffausstoß nur im Testbetrieb regelkonform war. Hier sind nach Angaben der VW-Kernmarke mehr als 90 Prozent von rund 2,25 Millionen betroffenen Wagen in Deutschland umgerüstet.
Unabhängig davon boten viele Hersteller auch an, Programme in der Abgasreinigung „freiwillig“ zu erneuern, nachdem Prüfungen des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) Hinweise auf Unregelmäßigkeiten ergeben hatten. Solche Updates sagten die Konzerne beim ersten Dieselgipfel im August zu – jedoch sind bis heute die meisten davon nicht umgesetzt. Begründung: Das KBA habe die Anforderungen und konkreten Einsparziele für schädliche Stickoxide (NOx) noch nicht festgelegt.
Sobald diese Maßstäbe bekannt sind, könnten nach Einschätzung von VW insgesamt bis zu 5,3 Millionen Wagen der eigenen Konzernmarken sowie von Daimler, BMW und Opel „von Software-Updates profitieren“. Audi spricht von europaweit „bis zu 850 000 Autos, für die nach der Genehmigung durch das KBA eine überarbeitete Software zur Verbesserung der Emissionswerte im Alltagsbetrieb angeboten wird“. Für den 6-Zylinder-TDI des A6 gibt es seit Oktober eine Freigabe, die Software haben nun 17 Prozent von 4700 Wagen in Europa. BMW hat die „rein freiwillig zugesagten Software-Updates nicht abgeschlossen“, sie werden für die Abgasnorm Euro 5 bis zur Jahresmitte angepeilt.
Mercedes-Benz bietet schon seit Frühjahr 2017 neue Software für 290 000 Autos der Kompakt- und V-Klasse an, die Update-Quote beträgt hier 80 bis 90 Prozent. Die übrigen der gut drei Millionen Wagen, auf die im vorigen Sommer aufgestockt wurde, konnten aber wegen der noch laufenden Software-Entwicklung und Abstimmung mit dem KBA bisher nicht in die Werkstatt. Porsche berichtet, beim freiwilligen Rückruf des Macan (Herbst 2016) 90 Prozent der 33 500 Modelle in Europa mit neuen Programmen versorgt zu haben. Beim Pflichtrückruf des Cayenne (Sommer 2017) liegt die Quote bei 43 Prozent von 21 500 Exemplaren.
Hardware
Umbauten an der Fahrzeugtechnik schließen die Autobauer nach wie vor aus. VW argumentiert, jede Modell-Motor-Kombination brauche in einem solchen Fall eine neue Typgenehmigung – das könne Jahre dauern. Auch BMW erklärt, Hardware-Nachrüstungen auf den modernen Standard Euro 6 würden eine „komplette Neuzertifizierung erfordern“ – ebenso wie den Einbau von Technologien zur NOx-Reduktion (SCR). Bei älteren Dieseln wären „erhebliche nachträgliche Eingriffe in die Fahrzeugarchitektur“ die Folge. Und die ebenfalls geforderte Konstanz der Eigenschaften des betreffenden Autos sei dann „nicht haltbar“.
Aus der Branche ist zu hören, dass in alten Modellen beispielsweise auch gar kein Platz sei, um dort nachträglich Tanks für die Harnstofflösung AdBlue zu installieren. Ähnlich erklärt Daimler: „Eine Hardware-Umrüstung bedeutet in aller Regel einen tiefen Eingriff in Steuerungssystem und Fahrzeugarchitektur. Über die Auswirkungen der Änderungen im Dauerbetrieb eines Fahrzeugs gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse.“ Tests könnten mindestens zwei bis drei Jahre dauern.
Ein vom Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegebenes Gutachten der Technischen Universität München kommt dagegen zu dem Ergebnis, dass die Nachrüstung zum Beispiel von älteren Euro- 5-Diesel-Fahrzeugen „mit einem verträglichen Aufwand möglich“ sei.
Kosten
Unklar ist zudem, wer die Kosten für Hardware-Nachrüstungen bezahlen soll: Kunden, Hersteller oder der Staat? Jüngster Vorschlag: Regierungsexperten haben laut Entwurf ihres Abschlussberichts vorgeschlagen, technische Nachrüstungen von Dieselautos auch durch staatliche Mittel zu finanzieren. Wie „SZ“ und der Bayerische Rundfunk am Freitag unter Berufung auf den Entwurf eines Abschlussberichts an die Bundesregierung berichteten, schlagen die Regierungsexperten vor, die Nachrüstung „ganz oder zu einem höchstmöglichen Anteil“ zu fördern. Die Förderung könne sich „neben öffentlichen Mitteln auch aus finanziellen Beiträgen der Automobilhersteller speisen“.
Hintergrund: Die Rechtslage ist nach Einschätzung der Expertenkommission nicht eindeutig. Im Papier der Kommission heißt es, dass das Kraftfahrtbundesamt die Konzerne nur zu einer Nachrüstung verpflichten könne, „sofern das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung hinreichend nachgewiesen ist“. Die Politik kann demnach die Autobauer – zumindest nicht uneingeschränkt – dazu zwingen, die Kosten voll zu tragen. Deshalb soll der Steuerzahler ran.
Doch die Pläne stoßen auf Widerstand. So fordert unter anderem der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) die Übernahme der Kosten durch die Hersteller. „Bevor ein staatliches Förderprogramm überhaupt diskutiert werden darf, müssen die Hersteller zur Übernahme des Großteils der Kosten verpflichtet werden“, sagte vzbv-Chef Klaus Müller am Freitag.
Umstiegsprämien
Volkswagen sieht die – je nach Hersteller unterschiedlich aufgesetzte – Prämie für umweltfreundliche Neuwagen bei Rücknahme eines alten Diesels als „Erfolg“. Im ersten halben Jahr seien so etwa 150 000 Autos der Abgasnormen Euro 1 bis Euro 4 verschrottet worden. Jeder zwölfte teilnehmende Kunde habe sich zudem für einen alternativen Antrieb (Elektro, Hybrid, Erdgas) entschieden. Die Prämie wurde bis Ende März verlängert. Bei Audi nahmen bisher etwa 11 500 Kunden das Angebot in Anspruch, auch hier läuft es noch bis zum 31. März. Daimler spricht von einer Zahl im niedrigen fünfstelligen Bereich. Die Prämie, die noch bis zur Jahresmitte läuft, stoße auf positive Resonanz bei Kunden und Händlern, hieß es. BMW verweist darauf, dass direkte Vergleiche zwischen den Herstellern wenig aussagekräftig seien. Das eigene Angebot für den geförderten Kauf CO2-armer oder elektrischer Modelle geht noch bis Ende Juni.
Infrastruktur
Aus Sicht der Autobauer muss abgasärmere Fahrzeugtechnik mit einer verbesserten Steuerung des Verkehrs Hand in Hand gehen. Dazu können etwa effizientere Ampelschaltungen gehören. Optimierte Verkehrsflüsse seien „ein Ziel, das Volkswagen ausdrücklich unterstützt“, heißt es. BMW meint, auch der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs „hinkt der Entwicklung der Städte hinterher“. Der Bund schlägt nun vor, Teile des ÖPNV kostenlos anzubieten – vieles ist dabei aber noch unklar. dpa/afp/mad