Kann sich ein Eigentümer dagegen wehren oder ein Mieter gar die Miete mindern? Die Antwort auf die Frage, ob Kinderlärm hingenommen werden muss, wird meist mit „Ja“ beantwortet. Der kindliche Spiel-, Taten- und Bewegungsdrang wird als sozialadäquat eingestuft. Das gilt nahezu uneingeschränkt in Mietwohnungen, im Nachbarhaus, auf dem Bolz- oder Spielplatz und in Kindergärten. Ein Streifzug durch die Rechtsprechung macht das deutlich.
Auf dem Bolzplatz
Sowohl der Bundesgerichtshof (BGH) – als höchstes deutsches Zivilgericht – als auch das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) haben sich mit Kinderlärm befasst, und zeigten sich kinderfreundlich. Beim BGH konnten sich Mieter nicht mit der Forderung durchsetzen, ihre Miete zu mindern, obwohl sie – insbesondere auf ihrer Terrasse – von einem knapp 20 Meter entfernt liegenden und nach ihrem Einzug errichteten Bolzplatz am Wochenende von dort kickenden Jugendlichen empfindlich in ihrer Ruhe gestört werden.
Ein Mietmangel, so das Gericht, sei nicht zwingend zu erkennen und damit eine Mietminderung gegen ihren Vermieter aussichtslos. Das gelte auch dann, wenn der Bolzplatz eigentlich nur von Montag bis Freitag und maximal bis 18 Uhr von Kindern bis zu 12 Jahren genutzt werden dürfe. Gibt es im Mietvertrag keine Klausel, mit der bei Abschluss eine „Vereinbarung über die Beschaffenheit der Mietwohnung“ getroffen worden ist, so kann nicht automatisch die Miete gemindert werden.
Ein Minderungsanspruch könnte nur dann bestehen, wenn der Vermieter seinerseits „Abwehr- oder Entschädigungsansprüche“ geltend machen könne. Zentraler Punkt: Sind es Kinder, die stören, so erscheint es aussichtslos, weil Kinderlärm keine störende „Umwelteinwirkung“ ist (Aktenzeichen VIII ZR 197/14).
Auf der Seilbahn
Das Bundesverwaltungsgericht hatte Mieter und Eigentümer vor sich, die von einer Seilbahn auf einem Kinderspielplatz in der Nachbarschaft genervt waren. Das Gericht konnte ihnen nicht helfen. Es urteilte, dass „von der Bahn ausgehende Lärmbeeinträchtigungen“ hinzunehmen seien. Dies auch dann, wenn sie teilweise nur in zehn Metern Entfernung vom Grundstück von der Wohnung entfernt liegt. Nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz sind Bürger „zur Duldung der dadurch entstehenden Lärmbeeinträchtigungen verpflichtet“. Anders ausgedrückt: Geräusche, die von Spielplätzen und deren Geräte „durch Kinder hervorgerufen werden“, sind im Regelfall keine „schädlichen Umwelteinwirkungen“ (AZ: 7 B 1/13).
Babygeschrei
Das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf hat einem Mieter die Nachzahlung der von ihm einbehaltenen Miete auferlegt, nachdem er die Wohnung fristlos gekündigt hatte. Der Grund für diesen Schritt lag darin, dass er sich durch Kinderlärm in der darüber liegenden Wohnung – laut Lärmprotokoll an 32 Tagen bis 22 Uhr mit zusätzlichem Weinen in der Nacht – erheblich gestört fühlte. Der Amtsrichter wies zwar auf das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme hin, wiederholte aber den in ständiger Rechtsprechung gebrauchten Grundsatz vom „natürlichen Spiel- und Bewegungsdrang“ von Kindern, der auch am späten Abend nicht immer unterdrückt werden könne. Hier ging es allerdings vornehmlich um ein Baby, das – so der Richter – „sein Leid bekanntermaßen durch Weinen und Schreien“ ausdrücke. Daran könnten auch die willigsten Eltern nur wenig ändern (AZ: 409 C 285/08).
Ebenfalls Hamburg: Ein Ehepaar, das in einem Mehrfamilienhaus unterhalb einer neu eingezogenen Familie mit Kindern wohnte, verlangte vor dem Amtsgericht Hamburg-Harburg, dass die Kinder zu den Ruhezeiten still zu sein haben. Ein Lärmprotokoll, aus dem hervorging, dass die Kinder auch in Ruhezeiten „Lärm gemacht haben“, könne nicht dazu führen, dass die Familie zunächst eine „Abmahnung“ und später eine Kündigung des Mietvertrages kassiere (Aktenzeichen 641 C 262/09).
Trampeln und Poltern
Und auch das Amtsgericht Frankfurt am Main gibt sich kinderfreundlich. Hier ging es um das Rennen, Trampeln, Schreien und Poltern von älteren Kindern in einer Mietwohnung. Das Gericht stufte den Krach in einem Mehrfamilienwohnhaus als sozialadäquat und hinnehmbar ein. Das gelte zumindest dann, wenn die Grenze zur „Unerträglichkeit“ nicht überschritten werde und die Störungen im Rahmen des normalen Spiel- und Bewegungsdrangs der Kinder lägen. Der Vermieter darf nicht wegen „erheblicher Lärmbelästigung“ kündigen. Das gilt auch dann, wenn sich insgesamt neun andere Mietparteien – alle kinderlos oder Singles – beim Vermieter beschweren (AZ: 33 C 3943/04).
Auch Quieken erlaubt
Eine Frau in einem Mietshaus wurde „ein- bis zweimal pro Woche“ von dem „minutenlangen Schreien“ eines Nachbarkindes „empfindlich in ihrer Ruhe gestört“. Sie verlangte eine Mietminderung vom Vermieter – vergeblich. In dem Fall vor dem Landgericht München I argumentierte die Bewohnerin, dass ihre Gesundheit durch den fehlenden Schlaf in den Morgenstunden – das Kind quiekte regelmäßig morgens um 7 Uhr, wenn es im Kinderwagen von der Mutter durch den Flur nach draußen geschoben wurde – gestört würde. Auch das Gericht entschied, dass derartiger Kinderlärm „sozialadäquat“ sei. Die Mutter kann nicht dazu verpflichtet werden, „mit ihrem Kind das Treppenhaus nahezu fluchtartig zu queren“ (AZ: 31 S 20796/04).
Kleine Mietminderung
Es gibt aber eine „Ausreißer-Entscheidung“ vom Amtsgericht Frankfurt am Main. Auf einem Grünstreifen zwischen zwei Mehrfamilienhäusern spielten regelmäßig Kinder Fußball. Ein Mieter, der sich dadurch gestört fühlt, kürzte die Miete um fünf Prozent – und bekam Recht. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn der Vermieter das Kicken per Verbotsschild untersagt hätte, denn dann hätte er seine Sorgfaltspflicht erfüllt (Aktenzeichen 33 C 1726/04-13).