Erst ein Jahreshoch, dann der Sturz um mehr rund 500 Punkte auf deutlich weniger als 10 900, so tief wie zuletzt Mitte Januar. Am Dienstag noch hatte der Deutsche Aktienindex Dax mit 11 370 Zähler so hoch gestanden wie noch nie in diesem Jahr. Seitdem hat er fast 4,5 Prozent verloren. Die Verunsicherung an der Börse sorgt für stark schwankende Kurse. Es sind die schon seit Monaten dominierenden Themen, die dem Aktienmarkt und damit dem Dax zu schaffen machen: Konjunktursorgen, der Handelskonflikt zwischen den USA und China, innereuropäische Reibereien, jüngst zwischen Frankreich und Italien, und das leidige Thema Brexit. Es droht der ungeregelte Austritt des Königsreichs aus der EU. Auch Börsianer sind genervt. „Die Briten wissen ja selbst nicht was sie wollen“, sagt Oliver Roth, Börsenchef beim Bankhaus Oddo Seydler.
Zusätzlich belasten den Markt weiter die heftigen Querelen um den Zahlungsdienstleister Wirecard. Binnen Tagen hat die Aktie fast die Hälfte ihres Wertes eingebüßt. Am Freitag stürzt das Papier erneut zeitweise um 20 Prozent ab. Aber auch fast alle andere Aktien gehen zum Wochenschluss zum Teil deutlich auf Talfahrt. Die Stimmung ist so schlecht wie lange nicht. „Ohne eine Verbesserung der konjunkturellen Stimmung und ohne Klarheit über den Ausgang des festgefahrenen Brexit-Verfahrens dürften alle Erholungsversuche an den Börsen wohl vergeblich bleiben“, sagt Ulrich Kater, Chef-Volkswirt der DekaBank.
Für Belastung sorgen auch die bislang vorgelegten Bilanzen. „Nur acht Prozent der Unternehmen haben unsere Erwartungen übertroffen“, klagt Markus Wallner von der Commerzbank. Bei fast einem Drittel sei es sogar schlechter gelaufen als erwartet. Michael Bissinger von der DZ Bank spricht bei den Unternehmen von „Gewinnwarnungen am Fließband“. Auch das deutet auf anhaltend schwierige Zeiten.
Bei der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) allerdings winkt man ab. „Es gibt so gut wie keine neuen Informationen, die diese Abwärtsbewegung rechtfertigen würden“, meint Volkswirtin Claudia Windt.
Allenfalls Verzögerungen in der Lösung des Handelsstreits zwischen den USA und China und die Befürchtung, dass er nicht rechtzeitig vor dem Inkrafttreten neuer US-Strafzölle Anfang März gelöst werden kann.
Die Helaba bleibt trotz des jüngsten deutlichen Rückschlags zuversichtlich und sieht den Dax schon Ende März wieder bei 12 300 Punkten, zum Jahresende sogar bei 13 000 Punkten. Aus aktueller Sicht erscheint das reichlich gewagt. Alain Bokobza, Chef-Stratege bei Société Générale ist erheblich skeptischer. Seiner Auffassung nach hat der Dax immer noch Spielraum nach unten – bis auf 10 000 Zähler Ende des Jahres. ROLF OBERTREIS