Jedes Jahr gehen bei den gesetzlichen Krankenkassen tausende von Beschwerden über ärztliche Behandlungsfehler ein. Gestern hat der medizinische Dienst des Kassenspitzenverbandes (MDS) in Berlin die Zahlen für 2018 vorgestellt.
Was haben die Prüfer herausgefunden?
Im Vergleich zum Vorjahr ist die Anzahl der Gutachten leicht gestiegen. 14 133 Beschwerden haben die Gutachter des Medizinischen Dienstes der deutschen Krankenversicherer (MDK) erstellt, das sind knapp 600 mehr als 2017. In knapp jedem vierten Fall (3497) bestätigten sie den Verdacht der misstrauischen Patienten (2017: 3337). Jede fünfte Überprüfung (2799) ergab, dass der Behandlungsfehler den erlittenen Schaden tatsächlich verursachte. Das ist wichtig für die Betroffenen, denn nur dann besteht die Chance auf Schadenersatz.
Was wird alles beanstandet?
Es mag Fälle geben wie das Bein, das fälschlich amputiert wurde, oder das Chirurgenbesteck, das in der Wunde vergessen wurde, aber das sind Ausnahmen. Die meisten Behandlungsfehler sind weniger spektakulär – aber für den Betroffenen nicht weniger dramatisch. Besonders häufig gab es Probleme bei der Implantation einer Hüftgelenksprothese (127 festgestellte Fehler). Auch eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt (111), Zahnersatz (97) oder Kniegelenksprothese gaben oft Anlass zur Klage.
Wie aussagekräftig sind die Ergebnisse?
Sie zeigen einen kleinen Ausschnitt, viel mehr aber nicht. „Die Dunkelziffer ist hoch“, sagt Stefan Gronemeyer, stellvertretender Geschäftsführer des MDS. „Wissenschaftliche Studien gehen davon aus, dass auf jeden festgestellten Behandlungsfehler etwa 30 unentdeckte Fälle kommen.“ Mal traut sich der Patient nicht, den Mediziner mit seinem Verdacht zu konfrontieren, mal sieht er die Verbindung zwischen Behandlung und anschließenden Beschwerden auch gar nicht.
Wo geschehen die meisten Fehler?
31 Prozent aller Vorwürfe (4349 Fälle) betreffen Orthopädie und Unfallchirurgie, 13 Prozent die innere und Allgemeinmedizin (1792). Die meisten Vorwürfe beziehen sich auf operative Eingriffe. „In Fachgebieten, in denen häufig Behandlungsfehler vorgeworfen werden, werden anteilmäßig nicht die meisten Fehler bestätigt“, erklärt dazu Astrid Zobel vom MDK Bayern. „Eine Häufung von Vorwürfen sagt nichts über die Fehlerquote oder Sicherheit in dem jeweiligen Fachbereich aus.“
Welche Konsequenzen fordert der Bericht?
Der Medizinische Dienst bemängelt seit Jahren die Meldekultur in der Medizin. Freiwillige Fehlermeldesysteme würden in Deutschland bislang kaum genutzt. Im größten übergreifenden System, das der gesamten Ärzteschaft offenstehe, seien nach mehr als zehn Jahren gerade 6200 Meldungen eingegangen – aus bundesweit etwa 2000 Krankenhäusern und 100 000 Praxen. Am wichtigsten, sagt Gronemeyer, sei es, über schwerwiegende und vermeidbare Schadensfälle zu berichten.