Gertrud K.: „Bei einem Ehepaar mit Berliner Testament verstarb vor etwa sieben Jahren der Ehemann. Es gibt zwei Kinder, die beim Tod auf ihren Pflichtteil verzichteten. Die Tochter bekam zu Lebzeiten des Mannes eine kleine Wohnung übertragen mit der Auflage, die Mutter im Alter zu versorgen. Der Großteil der Miete geht seit Längerem nur mit Sonderausgaben (Balkonerneuerung etc.) drauf. Der Sohn bekam als Ausgleich die Summe der Miete, ohne einen Finger zu bewegen. Weiterhin waren ein Haus und eine Summe von 80 000 Euro vorhanden. Die Witwe übertrug vor sechs Jahren, wie sich jetzt herausstellte, das Haus per Grundbucheintrag an ihren Sohn. Ist so ein Vorgehen überhaupt möglich? Wie verhält es sich mit dem Pflichtteil der Tochter, die seit dem Tod des Vaters sich um die Mutter kümmert, da der Sohn weit entfernt wohnt? Die Mutter kann sich angeblich an viele Dinge nicht mehr erinnern.“
Eltern sind nicht verpflichtet, ihre Kinder per Testament oder Schenkung gleich zu behandeln. Als Korrektiv hierzu garantiert das gesetzliche Pflichtteilsrecht eine gewisse Mindestbeteiligung der Abkömmlinge im Todesfall; dabei werden in gewissen Grenzen auch lebzeitige Schenkungen der Verstorbenen eingerechnet (sogenannte Pflichtteilsergänzung).
Ein weiterer Schutz der Abkömmlinge könnte sich eventuell aus dem Berliner Testament ableiten lassen. Beim Berliner Testament setzen sich Ehegatten durch gemeinschaftlichen Willen wechselseitig als Erben und einen Dritten – in der Regel die Kinder – als Schlusserben ein.
Da der gemeinschaftliche Wille ab dem Tod des Erstversterbenden denklogisch nicht mehr gemeinsam verändert werden kann, entfaltet ein solches Testament faktisch eine Bindungswirkung zu Lasten des überlebenden Ehegatten: Die Schlusserben stehen unverrückbar fest, ein neues Testament des überlebenden Gatten wäre unwirksam (Ausnahme: wenn sich aus dem Testament ein Abänderungsrecht ableiten lässt).
Damit die Stellung der bindend vorbestimmten Schluss-erben nicht durch lebzeitige Maßnahmen des länger lebenden Gatten beeinträchtigt wird, sieht Paragraf 2287 BGB vor, dass eine Schenkungen des überlebenden Gatten nach dessen Tod zurückgefordert werden kann, wenn die Schenkung nicht durch ein Eigeninteresse des Schenkers gerechtfertigt und der Schlusserbe durch die Schenkung benachteiligt ist.
In Ihrem Fall ist daher primär zu hinterfragen, ob die Überlassung des Hauses von der Mutter auf den Sohn als Schenkung erfolgte. Wurden Gegenleistungen vereinbart? Liegt zumindest eine gemischte Schenkung vor?
Nur dann gelangt man zu den genannten Ansprüchen auf Pflichtteilsergänzung oder Herausgabe nach Paragraf 2287 BGB. Zur Aufklärung des konkreten Sachverhalts erscheint es unerlässlich, sachkundigen Rat eines Anwalts für Erbrecht einzuholen. Etwaige Ansprüche können aber erst beim Erbfall geltend gemacht werden.
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