LESER FRAGEN – EXPERTEN ANTWORTEN

Wenn der Verwalter eine Vollmacht hat

von Redaktion

Hans-Jürgen S.: „Bei einer (großen, weit verstreuten) Wohneigentümergemeinschaft stehen bald Neuwahlen des Verwalters an, da nicht alle Miteigentümer mit dessen Leistungen zufrieden sind. Es gibt somit mögliche neue Verwalter. Dabei erhebt sich die Frage, wie der aktuelle Verwalter die Blanko-Vollmachten einsetzen kann, um sich möglicherweise aufgrund dieser schweigenden Mehrheit selbst wieder zu wählen. Können diese Vollmachten, im Gegensatz zu Vollmachten mit klaren Anweisungen bei diesem Punkt, als Enthaltungen gewertet werden?“

Wenn Blanko-Vollmachten an den Verwalter beim „Tagesordnungspunkt Neuwahlen“ als Enthaltungen gewertet werden sollen – also dann nicht mitgezählt werden dürften –, müssten diese Stimmen einem Stimmrechtsausschluss gemäß § 25 Abs. 5 1. Alternative des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) unterliegen. Dies wäre der Fall, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums bezüglichen Rechtsgeschäfts mit ihm betrifft.

Generell gilt diese Vorschrift aber nur für Wohnungseigentümer, die als Vertreter eines Dritten auftreten. Allerdings sind auch in der Person des Vertreters (hier des Verwalters) bestehende Ausschlüsse des Stimmrechts bei Stimmabgabe in fremden Namen zu beachten. Gemäß der herrschenden Rechtsprechung ist diese Vorschrift jedoch hier nicht anzuwenden, da die Vollmachtgeber selbst keinem Stimmverbot unterliegen und eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den Verwalter daher nicht geboten ist.

Begründet wird dies damit, dass die Verwalterwahl ein garantiertes Mitwirkungsrecht jedes Wohnungseigentümers ist, aber eben kein Rechtsgeschäft, sodass es bereits an dem Tatbestandsmerkmal „Rechtsgeschäft“ fehlt. Weiterhin argumentiert die Rechtsprechung, dass nämlich allen Beteiligten, vor allem den Vollmachtgebern klar ist, dass der bevollmächtigte Vertreter sich für den besten Kandidaten hält und dementsprechend die Vollmachten im Sinne seiner Wiederwahl ausüben würde; mit der Erteilung der Stimmrechtsvollmacht brachten die Vollmachtgeber daher in zulässiger Weise ihr Einverständnis mit der Eigenwahl des amtierenden Verwalters zum Ausdruck. Da es leider keinen allgemeinen Stimmrechtsausschluss wegen Interessenkollision (der hier beim Verwalter eindeutig vorliegen würde) gibt, sind die vom Verwalter in seinem Sinne genutzten Blankovollmachten bei der Stimmauszählung im vollen Umfang zu berücksichtigen.

Dieses Ergebnis mag auf viele Wohnungseigentümer befremdlich wirken, ist jedoch im Einklang mit der herrschenden Rechtsprechung.

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