Auch das vermutlich neun Milliarden Euro schwere Rettungspaket des Bundes wird der Lufthansa in einer Hinsicht nicht helfen: Anfang Juni muss die Airline den Deutschen Aktienindex Dax vermutlich verlassen und aus dem Kreis der 30 wichtigsten deutschen, an der Börse gelisteten Konzerne ausscheiden. Die entsprechenden Kriterien lassen den Verantwortlichen nach Ansicht von Experten keine Wahl. Zwar gehört das Papier der Lufthansa noch zu den 20 umsatzstärksten Aktien, aber bei der Marktkapitalisierung, also dem Börsenwert rangiert es mit aktuell insgesamt nur noch rund 3,9 Milliarden Euro und nur 3,5 Milliarden im Streubesitz nur auf Rang 51 der 100 wichtigsten Aktien. Es müsste mindestens Platz 45 für eine weitere Schonfrist sein. Damit würde ein Gründungsmitglied des am 1. Juli 1988 aufgestellten wichtigsten deutschen Börsenindex verlassen und müsste dem Immobilienkonzern Deutsche Wohnen Platz machen.
Andererseits kann die Börse am Montag die erste neue Aktie in diesem Jahr begrüßen. Das Papier des Nürnberger Software-Anbieters Exasol wird zum ersten Mal gehandelt. Ausgegeben wurde die rund 9,2 Millionen Aktien schon in der abgelaufenen Woche. Bei allerdings relativ kleinen Börsengang wurden 87 Millionen Euro erlöst, die 48,5 Millionen fließen an das Unternehmen.
Es ist gleichwohl eine positive Nachricht in Corona bedingt weiter unruhigen Börsenzeiten. Auch wenn der Dax zum Wochenschluss zeitweise wieder die Marke von 11 000 Punkte gemeistert und damit im Vergleich zur Vorwoche rund 600 Punkte stattliche knapp sechs Prozent zugelegt hat. Zu viel glaubt Robert Greil vom Bankhaus Merck Finck. „Die Börse läuft der konjunkturellen Entwicklung klar voraus.“ Das sei vor allem der gewaltigen, Billionen schweren Unterstützung durch Staaten und Notenbank zuzuschreiben. Greil spricht von einem „Liquiditäts-Tsunami“. Seit Mitte März haben der Dax und andere Indizes um mehr als 30 Prozent zugelegt, rechnet Alexander Krämer von der Commerzbank vor.
Christian Kahler von der DZ Bank rät kurzfristig eher zur Vorsicht. Die Bewertung der Aktien sei bei gleichzeitig gefallenen Gewinnen und Gewinnwarnungen in die Höhe geschnellt. Er empfiehlt weit nach vorne zu blicken. „Als Anleger kann man den aktuellen Stress an den Aktienmärkten umgehen, indem man einen langen Blickwinkel einnimmt und einige Jahre vorausschaut, statt einige Quartale“. Langfristig ist er für den Aktienmarkt positiv gestimmt. Bis die alten Höchststände wieder erreicht werden, wird es nach Ansicht von Kahler aber „noch einige Jahre dauern“. Auch Ulrich Kater, Chef-Ökonom der DekaBank, bleibt vorsichtig. „Zu viele Unternehmen müssen Kosten senken und zu viele Lieferketten sind noch gestört. Das alles lässt auch am Aktienmarkt weitere Rückschläge erwarten.“
Weitgehende Einigkeit herrscht in einem Punkt: Ein wirklicher „Game Changer“ für den Aktienmarkt wäre ein Impfstoff gegen Corona oder ein wirksames Medikament gegen Covid-19.
ROLF OBERTREIS