Knapp 20 000 Insolvenzen von Unternehmen wurden 2019 registriert – wegen der Corona-Krise werden es wohl in diesem Jahr weit mehr sein. Wenn Arbeitnehmer nicht aufpassen, sind sie durch eine Pleite gleich doppelt geschädigt: Sie verlieren nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern auch noch ausstehenden Lohn.
Insolvenzgeld als Fallschirm
Wenn der Lohn länger ausbleibt, sollten Arbeitnehmer sicherheitshalber von einer drohenden Insolvenz ausgehen. Für diesen Fall gibt es eine Art „Fallschirm“ der Arbeitsagenturen – das sogenannte „Insolvenzgeld“. Eigentlich müsste es „Vor-Insolvenz-Geld“ heißen. Denn ersetzt wird auf Antrag des Arbeitnehmers der ausgefallene Lohn aus den drei Monaten vor der Pleite. Die Agentur zahlt allerdings erst, wenn es tatsächlich zu einer Insolvenz gekommen ist (oder wenn ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet wird).
Klage und Einstellung der Arbeit
Arbeitnehmer können rückständiges Gehalt beim Arbeitsgericht einklagen. Das geht auch ohne Anwalt. Bei „erheblichen“ Lohnrückständen haben sie zudem ein Zurückbehaltungsrecht. Das heißt: Sie können die Arbeit einstellen, haben jedoch weiterhin – auch ohne Gegenleistung – Anspruch auf Arbeitsentgelt. Das Bundesarbeitsgericht befand in einem Urteil am 25. Oktober 2007, dass zwei Monatsverdienste Lohnrückstand „erheblich“ sind und damit ein Zurückbehaltungsrecht rechtfertigen (8 AZR 917/06). Wichtig: Wer dieses Recht wahrnimmt, muss seinem Arbeitgeber gegenüber deutlich machen, warum er das tut. Legitim ist das – so das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Urteil vom 25. Oktober 1984 (Az.: 2 AZR 417/83) – „zur Sicherung eines bestimmten Individualanspruchs“ (also der Lohnforderung). Das sollte – um den Eindruck eines Streiks zu vermeiden – nicht kollektiv geschehen. Vielmehr sollte jeder einzelne Arbeitnehmer in einem individuellen Schreiben seine persönlichen Ansprüche geltend machen.
Anspruch auf Arbeitslosengeld
Wer das Zurückbehaltungsrecht wahrnimmt und dennoch kein Gehalt erhält, hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, obwohl das Arbeitsverhältnis noch besteht. Betroffene sollten sich deshalb so schnell wie möglich arbeitslos melden und Arbeitslosengeld beantragen. Der Arbeitsagentur sollte man dabei belegen, dass der Arbeitgeber nicht zahlt und man – vergeblich – versucht hat, seine Lohnansprüche durchzusetzen.
Weitere Ansprüche auf Schadensersatz
Wenn das Arbeitsentgelt nicht gezahlt wird, kann das dramatische Folgen haben. Mitunter können Arbeitnehmer ihre Miete nicht mehr zahlen, andere müssen ihr Konto überziehen oder einen Kredit aufnehmen. Manchmal platzt auch eine Immobilienfinanzierung. Über einen solchen Fall verhandelte das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz: Ein Arbeitnehmer konnte seinen Kredit nicht bedienen, weil sein Arbeitgeber den Lohn schuldig blieb. Die finanzierende Bank hatte daraufhin die Immobilie zwangsversteigert. Das Gericht verurteilte den Arbeitgeber daher zur Zahlung von 76 203 Euro Schadensersatz an den Betroffenen (Az.: 2 Sa 555/14).
Außerordentliche fristlose Kündigung
Das schärfste Schwert des Arbeitnehmers im Falle der Nichtzahlung des Gehalts ist die außerordentliche, fristlose Kündigung. Dabei muss der Arbeitgeber jedoch zunächst abgemahnt werden. Wer wegen der Gehaltsrückstände fristlos kündigt, hat gegen den Arbeitgeber zusätzlich einen Anspruch auf Schadensersatz. Der Schadensersatzanspruch umfasst grundsätzlich den Ersatz der entgangenen Vergütung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist und daneben die Zahlung einer Abfindung als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Tipp für Arbeitnehmer: Ohne die Unterstützung durch einen Anwalt oder den gewerkschaftlichen Rechtsschutz dürfte dies kaum funktionieren.
Lohnverzicht nicht akzeptieren
Häufig drängen Unternehmen mit Finanzproblemen Arbeitnehmer zum Lohnverzicht. Wer darauf eingeht, hat nicht nur weniger Lohn, sondern das Nachsehen, falls der Arbeitsplatz doch verloren geht. Denn dann fallen auch die Leistungen der Arbeitsagentur niedriger aus.
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