Obstkerne: gesund oder giftig?

von Redaktion

Obstkerne gelten teils als besonders gesund, teils als stark giftig. Die einen kaufen teure Traubenkernpräparate, die anderen haben Angst, sich versehentlich mit Apfelkernen zu vergiften. In vielen Fällen sind die Sorgen unbegründet. Zwar enthalten Apfel- und auch Birnenkerne von Natur aus Amygdalin, ein blausäurebildendes Glycosid. Die Mengen sind jedoch so gering, dass Vergiftungserscheinungen durch den Verzehr von Äpfel oder Birnen mitsamt Kernhaus nicht zu befürchten sind. Im Gegenteil: Wer das Gehäuse mitisst, nimmt eine Extraportion an Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen zu sich.

Anders sieht es aus bei Steinfrüchten wie Kirschen, Pfirsichen, Nektarinen, Pflaumen oder Aprikosen. In ihren Kernen können größere Mengen an blausäurebildenden Stoffen enthalten sein. Verschluckt man einen Kirschkern, durchwandert dieser in der Regel problemlos den Magen-Darm-Trakt und wird unverdaut wieder ausgeschieden, sodass keine Gefahr besteht.

Anders ist das, wenn etwa bittere Aprikosenkerne gegessen werden. Immer wieder wird dies als Mittel gegen Krebs angepriesen, wofür allerdings wissenschaftliche Belege fehlen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt, dass Kinder solche Kerne keinesfalls und Erwachsene höchstens zwei am Tag verzehren sollten, um keine Vergiftung zu riskieren. Die Kerne von Zitrusfrüchten dagegen sind ungiftig. Wer sie mitisst oder verschluckt, muss sich keine Sorgen machen. Geteilte Meinungen gibt es zu Avocadokernen. Im Internet und in sozialen Medien findet sich vielfach die Empfehlung, die getrockneten Kerne zu mahlen oder zu raspeln und über Müsli, Smoothies und andere Speisen zu streuen, um weniger Lebensmittelabfall zu erzeugen und von den enthaltenen Pflanzenstoffen zu profitieren. Das Problem dabei: es ist nicht geklärt, ob Bestandteile wie etwa der Bitterstoff Persin negative Wirkungen im menschlichen Körper entfalten.

Für Haustiere sind bereits die geringen Mengen an Persin giftig, die im Fruchtfleisch von Avocados enthalten sind. Zudem fehlen wissenschaftliche Nachweise für etwaige positive Wirkungen. Der Verkauf avocadokernhaltiger Nahrungsergänzungsmittel ist in der EU aufgrund der fehlenden Zulassung als neuartiges Lebensmittel bislang nicht erlaubt. Präparate aus Traubenkernen dagegen dürfen verkauft werden. Sie enthalten sogenannte oligomere Proanthocyanidine (OPC), die von Natur aus in den Kernen und Schalen roter Trauben vorkommen. Diesen Pflanzenstoffen werden gefäßschützende und antioxidative Wirkungen zugeschrieben. Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit bewertet allerdings die vorliegenden Studien als nicht ausreichend und hat gesundheitsbezogene Werbeaussagen für OPC-Produkte verboten.

Genussvoller ist es in jedem Fall, OPC und andere Pflanzenstoffe in Form von Weintrauben zu sich zu nehmen. Wenn man die Inhaltsstoffe besser verfügbar machen möchte, sollte man die Kerne zerkauen. Das gilt auch für die Kerne von Wassermelonen, die reich an Vitaminen und Mineralstoffen sind. Aus ernährungsphysiologischer Sicht sind also bei Wassermelonen wie bei Weintrauben die modernen kern-armen Züchtungen nicht nötig. Man kann die Melonenkerne nicht nur mitessen, sondern auch trocknen, rösten und pur oder gewürzt als Snack knabbern. Gut schmecken die Kerne zudem als Topping für Salate und Suppen.

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