Wer eine Immobilie verkauft, weil er beispielsweise aus beruflichen Gründen umziehen muss, kann auch den Kredit seiner Bank vorzeitig kündigen. Allerdings ist das oft teuer. Denn die Bank will, weil ihr vereinbarte Zinsen entgehen, eine Vorfälligkeitsentschädigung. Viele Betroffene müssen in diesen sauren Apfel beißen – es sei denn, sie haben einen Joker, der sie davor bewahrt. Darauf macht die Stiftung Warentest aufmerksam.
Ein solcher Joker kann eine bislang wenig beachtete Gesetzesänderung sein, die für alle seit 21. März 2016 geschlossenen Immobilienkreditverträge gilt. Danach steht Banken keine Vorfälligkeitsentschädigung zu, wenn die Angaben über ihre Berechnung im Vertrag unzureichend sind.
In ihrer September-Ausgabe schildert die Zeitschrift „Finanztest“ den Fall des Esslingers David P., der seine Wohnung zwei Jahre nach Abschluss des Kreditvertrags verkaufen wollte. Die Volksbank Ortenau forderte fast 4 200 Euro Entschädigung für ihren Zinsausfall. Denn ihr Kunde hätte das Darlehen normalerweise erst zum Ende der Zinsbindung im Jahr 2028 kündigen dürfen. Wegen des Verkaufs der Wohnung stand ihm zwar ein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Doch Banken dürfen eine Entschädigung für die vorzeitige Rückzahlung verlangen – im Prinzip jedenfalls.
Neue Rechtslage hilft
Seit dem 20. März 2016 ist eine Vorfälligkeitsentschädigung gesetzlich ausgeschlossen, wenn im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind (§ 502 Abs. 2 Ziffer 2 BGB). Der Anwalt von David P. kam zu dem Schluss, dass wegen fehlerhafter Vertragsklauseln der Volksbank keine Vorfälligkeitsentschädigung zusteht.
Das sah die Bank zunächst anders. Was „unzureichend“ konkret bedeutet, ist im Gesetz auch nicht definiert. Rechtsprechung gibt es dazu bisher kaum. Klar dürfte aber sein: Die Angaben der Bank dürfen nicht falsch oder irreführend sein. Das sind sie aber oft.
Im Vertrag der Bank entdeckte der Anwalt gleich mehrere mögliche Fehler. Der gravierendste: Die Vertragsklausel konnte so verstanden werden, dass die Entschädigung bis zum Ende der Restlaufzeit des Darlehens berechnet wird, also bis zur vollen Schuldentilgung. Das ist unzulässig.
Eine Bank darf ihren Zinsschaden längstens bis zum Ende der Zinsbindung berechnen. Diese war bei dem Fall mehr als ein Jahr kürzer als die im Vertrag genannte Laufzeit, bis zu deren Ende der Kredit bei gleichbleibenden Konditionen getilgt wäre. David P kam dabei sogar um ein Gerichtsverfahren herum. Nach drei Anwaltsschreiben gab die Volksbank Ortenau nach. Sie überwies die bereits gezahlte Summe zurück.
Verträge fehlerhaft
Auch Verträge anderer Banken enthalten oft Fehler, die ihren Anspruch auf eine Entschädigung aushebeln können:
In vielen Verträgen steht, dass Kreditnehmer ihr Darlehen vor Ablauf der Zinsbindung nur gegen Vorfälligkeitsentschädigung zurückzahlen können. Das stimmt nicht, wenn die Zinsbindung mehr als zehn Jahre beträgt. Solche Darlehen sind mit einer Frist von sechs Monaten ohne Entschädigung kündbar, sobald zehn Jahre seit Vollauszahlung vorbei sind. Die Bank darf ihren Zinsverlust dann nur bis zum ersten Kündigungstermin berechnen.
Verträge von Genossenschaftsbanken enthalten mitunter den Hinweis, dass für die Berechnung des Zinsschadens die Renditen von „Kapitalmarkttiteln öffentlicher Schuldner“ maßgeblich sind, zum Beispiel Bundesanleihen. Laut Bundesgerichtshof sind aber die höheren Renditen für Hypothekenpfandbriefe anzusetzen.
Teilweise fehlt in Kreditverträgen der Hinweis, dass vereinbarte Rechte auf Sondertilgungen oder eine Ratenerhöhung zugunsten des Kunden zu berücksichtigen sind. Dadurch fällt die Vorfälligkeitsentschädigung meist deutlich niedriger aus als bei Krediten mit starrer Tilgung.
„Finanztest“ rät bei Verträgen, die nach dem 20. März 2016 abgeschlossen wurden, juristischen Rat bei spezialisierten Anwälten oder einer Verbraucherzentrale zu suchen. Die Ersteinschätzung ist oft kostenlos.
Joker bei Altverträgen
Auch bei Verträgen, die zwischen 11. Juni 2010 und 20. März 2016 abgeschlossen wurden, gibt es eine Joker: Den Widerruf. Der ist möglich, wenn Banken falsch über das Widerrufsrecht informiert haben, wodurch die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann. Davon können heute noch Kreditnehmer profitieren. Viele kommen durch einen späten Widerruf des Vertrags um eine Vorfälligkeitsentschädigung herum. Ausführliche Informationen gibt es online unter test.de/kreditwiderruf. mm