Immer mehr Bären wechseln das Lager

von Redaktion

Die Skepsis war beträchtlich. Die erste Woche im Deutschen Aktienindex Dax hat sie bestätigt. Fast zehn Prozent hat die Aktie von Delivery Hero in der laufenden Woche verloren, zumal das Unternehmen für das erste Quartal zwar ein deutliches Umsatzplus, aber eben auch einen satten Verlust von mehr als 440 Millionen Euro melden musste. Dem Dax insgesamt hat das nicht geschadet, dafür ist der Essenlieferant für den Index bei Weitem nicht schwer genug.

Das Börsenbarometer hat in der letzten August-Woche kräftig um zugelegt, zeitweise mit mehr als 13 200 Punkten diese 1000er-Schwelle deutlich übertroffen. Damit wurde fast der Stand von Ende 2019 erreicht – trotz steigender Corona-Zahlen, trotz Wirtschaftseinbruch, trotz ungelöster Handelsprobleme, trotz Brexit und trotz des gefährlich angeheizten Wahlkampfs in den USA. Die Börsianer dies- und jenseits des Atlantiks scheint all das vordergründig wenig zu sorgen. In den USA verzeichnen die Indizes neue Höchststände. Hierzulande hat der Dax im August um mehr als sieben Prozent zugelegt.

Getrieben wird das, wie Andreas Hürkamp von der Commerzbank sagt, auch von der rasanten Entwicklung bei der US-Technologie-Unternehmen Apple, Amazon, Netflix, Microsoft, Alphabet (Google) und dem E-Auto-Hersteller Tesla. Daran verzweifelten die Pessimisten hierzulande, die eigentlich auf eher sinkende Kurse setzen. Aber auch die gemäß dem wichtigen Geschäftsklima-Index des Münchner Ifo-Instituts gestiegenen Erwartungen der Manager in Deutschland geben der Börse Rückenwind.

„Die Deutsche Konjunkturstimmung boomt“, sagt Robert Halver von der Baader Bank. Zudem werde die Politik trotz steigender Coronazahlen keinen neuen generellen Lockdown verordnen. Außerdem setzen Börsianer auf die baldige Zulassung eines Impfstoffs.

Christian Kahler von der DZ Bank bleibt skeptisch – kurz- und mittelfristig. „Wir rechnen an den Aktienmärkten mit einem schwächeren Herbst und sehen wenig Kurspotenzial im kommenden Jahr“, sagt der Aktienmarktstratege. Langfristig aber setzt er auf Aktien – breit gestreut, auch international. Mitte 2021 sieht er den Dax wieder bei 13 500 Zählern.

Gestützt wird der Aktienmarkt weiter von den extrem niedrigen Zinsen – bei der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-Notenbank Fed. Letztere will selbst bei einem Anstieg der Inflationsrate auf zwei Prozent für längere Zeit die Geldpolitik nicht anziehen. Damit dürften die Leitzinsen noch Jahre im Keller bleiben. „Das bedeutet eine noch längere Ausdehnung der expansiven Geldpolitik mit ultraniedrigen Zinsen als ohnehin schon erwartet“, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank. Damit stehen die Ampeln für den Aktienmarkt weiter mehr auf Grün als auf Gelb. Es fehlen einfach Anlagealternativen.

Dem Dax, sagt denn auch Joachim Goldberg, der ständig die Stimmung der Anleger eruiert, falle der Weg nach unten erheblich schwerer als der Aufstieg nach oben. Mittlerweile wechseln nach seinen Worten immer mehr Bären (die Pessimisten an der Börse) in das Lager der Bullen, die mit Optimismus auf das Börsengeschehen schauen. ROLF OBERTREIS

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